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Ein Raum für künstlerische Imaginationen: Der Himmel in der Kunst der 90er-Jahre im Kunsthaus Grenchen

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Ausstellung

Anlässlich der 70-Jahr-Feier des Flugplatzes Grenchen präsentiert das Kunsthaus Werke von 13 Kunstschaffenden aus der Schweiz, Japan und Berlin, die sich mit dem Himmel auseinandersetzen. Zwischen Installation, Malerei und Fotografie zeigt sich der Himmel in der Kunst der 90er-Jahre als universell wie individuell bearbeitete künstlerische Aussagen und Ideen.

«Up in the Sky», auf in den Himmel, dort wo über den Wolken die Freiheit grenzenlos ist - und der Künstler sich immer wieder neu positionieren kann. Der Himmel, er ist allumfassend und wurde in der Kunstgeschichte entsprechend immer wieder thematisiert. Schon früh in der christlichen Kunst als «Gefilde der Seligen» dargestellt, deuteten im Mittelalter abstrakte Figurationen das Jenseits an. ln der Gotik wurde der Himmel als goldener Hintergrund erhöht. Die Renaissance fand mit der Zentralperspektive auch zum Himmel als Symbolträger. Der Barock füllte den Himmel mit Engeln und übertrug den Himmel auf die Deckenmalerei. Mit dem 18. Jahrhundert dann änderten sich die Wahrnehmungen. Der Himmel und die Wolken wurden naturgetreu malerisch erkundet, während mit den Romantikern das Sublime wieder Einzug in den Himmel hielt.

Weites Feld von Projektionsflächen
Auch in der zeitgenössischen Kunst ist der Himmel wieder Thema geworden, wird nun jedoch individueller, von einfach stimmender Malweise über konzeptuelle Installationen bis komplex formulierte Zusammenhänge, formal wie inhaltlich, neu gesichtet. Und da der Himmel über Grenchen dem Flugverkehr gehört und der Flugplatz Grenchen nun sein 70-jähriges Bestehen feiert, hat die Kuratorin Dolores Denaro den Ort zum Thema einer Ausstellung gemacht, wo sich die Flugzeuge mehrheitlich aufhalten: der Himmel.
Der Himmel präsentiert sich in dieser ästhetisch konzipierten Auswahl unter dem Titel «Up in the Sky» als ein weites Feld formaler wie inhaltlicher Projektionsflächen: Er bietet meteorologische Phänomene, denen Andreas Züst in seinen nächtlichen Farbfotos ein künstlerisches Zeichen setzt. Er vereint Leben und Tod - Mireille Gros (Basel) eröffnet mit ihren einfachen Bildtafeln Ein- oder Ausblicke in kosmische oder zelluläre Konstellationen von Mikro- wie Makrokosmos. Der Japaner Nobuyoshi Araki verarbeitet in einer düsteren Schwarzweiss-Fotoserie den frühen Tod seiner Ehefrau als Ausdruck der Verlassenheit und Trauer. Zwischen Natur und Atmosphäre bewegt sich Cecil Wick (Zürich), die Wolkenspiele mittels Lochkamera und Heliografie zu stimmungsvollen sphärischen Bewegungen verwandelt. Oder Ingeborg Lüscher (Tegna), in deren Farbfotos die gelbdräuenden Wolken visionär-unwirklich Horizont und Erde verwischen.

Imaginationen und virtuelle Welten
Andererseits bietet das Thema Raum für Imaginationen und virtuelle Welten, für Erlebnisse, kritische Reflexionen. Da lässt Ueli Etter (Berlin) Sprechblasen «abstürzen», die alles aufnehmen können, auch wolkige Wörter. Nanne Meyer (Berlin) blickt zeichnerisch durch weisse Wattewolken auf tiefliegende strukturierte Landschaften. Res Ingold (München) hingegen setzt sich mit seinen Bildtafeln, die Flughafenterminals seiner virtuellen Fluggesellschaft imitieren, ironisch mit der totalen Vermarktung des Luftraumes auseinander. Bei Olaf Breuning (Zürich) wird der Himmel zum Ort der Bedrohung. In seiner grossen Farbfotomontage «Independence Day» (nach dem gleichnamigen Film) spielt er mit der wie ein Raumschiff über winzige Menschen, jedoch im Luftraum seines Ateliers schwebenden Matratze fiktive Realitäten und filmische Szenarien gegeneinander aus.

Horizontkulissen mit Pipilotti Rists «I’m a victim of this song»
Käthe Kruse (Berlin) zieht die Kontur eines Bergpanoramas - als Teil einer umfänglichen Gesamtperformance - in weisse Deckfarbe und trennt mit dieser markanten Linie Himmel und Erde, um sie so gleichzusetzen. Ein fotocollagiertes Panorama verbindet parallel Realität mit Künstlichkeit. Silvie Defraoui (Vufflens) überlagert Wirklichkeiten, Nähe und Ferne, in einer sich gegenseitig durchdringenden Transparenz zu immer neuen gedanklichen und geografischen Horizontkulissen. Susanne Weirich (Berlin) inszeniert die Analogie von Wort und Wolke als Projektion eines sich ständig verändernden Wolkenhimmels auf einen sich leicht bewegenden Vorhang. Die Texte - wolkenlos - bleiben dabei ein irritierendes Wortspiel.
Letztlich ist der Himmel auch Ort aller Gedanken. Und so lässt Pipilotti Rist (Zürich) in ihrem Video, untermalt von einem störend schrill bis melancholisch gesungenen Liebeslied, alltägliche Szenarien, Werte und Erinnerungen sich im Fluss der dahinziehenden Wolken auflösen und neu formen.
Öffnungszeiten: Bis 28. Oktober 2001, Di, Mi, Fr, Sa, So: 14-17 Uhr; Do. 17-20 Uhr. Öffentliche Führung: Sonntag, 23. September 2001, 11 Uhr; Familiensonntag, 9. September 2001, 10-12 Uhr. Das Kino Rex Grenchen zeigt am 11., 18. und 25. September 2001 «Picture of Light» (1994), ein Film von Peter Mettler in Zusammenarbeit mit Andreas Züst.

Video von Pipilotti Rist

Video von Pipilotti Rist

Pipilotti Rist 2001 im Kunsthaus Grenchen: «I’m a victim of this song», Video von 1995.
Pipilotti Rist 2001 im Kunsthaus Grenchen: «I’m a victim of this song», Video von 1995.