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Abstecher in eine groteske und surreale Welt: Berner Tanztage - Die Genfer Compagnie Alias mit «L‘odeur du voisin» in der Dampfzentrale Bern

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Tanztheater

Die diesjährigen Berner Tanztage in der Dampfzentrale Bern gehen erfolgreich dem Ende zu. Das Stück «L’odeur du voisin» der Genfer Compagnie Alias ermöglichte zuletzt ein Wiedersehen mit ihrem erzählerischen, gelenkigen und witzigen, aber nun etwas zähen Tanzstil.

Wieder einmal menschelt es tüchtig bei dem seit 21 Jahren in Genf lebenden, brasilianischen Tänzer und Choreografen Guilherme Botelho. Diesmal führt er in ein bescheidenes Lokal, wo allerlei seltsame Figuren in verschiedenen Situationen aufeinanderstossen. Deren Begegnungen enden - wie so oft bei Alias - in absurden, surrealen oder grotesk überspitzten Gefühls- und Stimmungsbildern: ein Pärchen, das sich streitet; der Macker, der eine Blonde bezirzt; die Schüchterne, die nie etwas bestellen kann; der Verklemmte, der sich um die Tische druckst; die stolze Schönheit, die der Kellner zum Tanz an sich reisst; eine Mutter, die ihren Säugling stillt; der Geschäftsmann, der sich aus Zeitmangel beim Essen helfen lässt.

Augenzwinkernd mit unübersehbarem Drang zum Ulk
Einsam sind die Leute, vergessen, selten nicht allein und dann im Clinch. Und so ist auch der Tanz inszeniert, wenn sich die fünf Mitwirkenden Revuetanz, Ballett, Akrobatik, Fünfuhr-Tanztee, die Melancholie des Tangos und die tänzerische Heftigkeit emotionaler Kämpfe einverleiben. Es wird über Tisch und Stuhl geringelt und gekreist, unter den Tischen gewunden, dazwischen oft szenisch stumm dramatisiert oder gekasperlt, Stille beleuchtet - Marionetten gleich, deren Fäden sich gelöst haben, dann wieder schlangenhaft-überdreht, faszinierend leichtfüssig-geschmeidig. Gemässigt im Tempo und zu einem Mix aus Latinosound, Filmmusik, Schmalz und Swing, gestaltet sich der Tanz in den cineastisch schnell wechselnden, theatralischen Sequenzen zu exaltierten Selbstdarstellungen verschrobener Poesie; augenzwinkernd und mit einem unübersehbaren Drang zum Ulk.

Seit dem ersten Auftritt 1995 Stammgast in der Berner Dampfzentrale
Die 1993 gegründete Compagnie zählt längst zur Spitze des freischaffenden Schweizer Tanzgeschehens und ist seit ihrem ersten Auftritt 1995 im Rahmen von Danse Noël Stammgast in der Berner Dampfzentrale. Ihr Kurzstück «De beaux restes» bildet die Grundlage für die erste Hälfte des aktuellen Programms. Der zweite Teil, eine Uraufführung, zeigt zwar die gleichen Figuren, nun jedoch im Büro der monoton aufgereihten Tische. Eine telefoniert und tippt wie manisch, zieht sich aus, verfällt unbeobachtet in ekstatische Verrenkungen. Ansonsten herrscht Büroalltag, man kommt, geht, verteilt Arbeit, diskutiert, korrigiert, tuschelt, turtelt - stumme, eigenwillig bewegte Szenen, ein wenig auch tänzerisch parodierend mit ein paar Gags und bildhaft-düsteren Stimmungen, stets vor, auf und unter den Tischen.

Ausgereifte Körpersprache
Dafür reduziert sich nun der Tanz, setzt nur dann ein, wenn die Gefühle flattern, die Einsamkeit eskaliert, die Stimmungen aus dem Ruder laufen. Dann windet und ringelt sich ein jeder einzeln in dieser unglaublichen Körpersprache der drehenden und kreisenden Köpfe, Arme, Beine, Hüften. Aber das Groteske und das Absurde bleibt nur eine forcierte Fortführung des ersten Parts, jetzt nur bedächtiger, zäher. Bis Papier vom Himmel flattert und alles weiss bedeckt. Die Tippse tippt und tippt, die anderen machen leise über die Tische den Büroabgang.
Tanztage-Abschluss mit der südafrikanischen Compagnie Robyn Orlin, 7. und 8. September 2001 jeweils 20.15 Uhr.

Choreografierte Beweglichkeit: Die Genfer Compagnie Alias setzt 2001 in der Dampfzentrale Bern auf ulkige Tanzszenen vor, auf und unter den Tischen.
Choreografierte Beweglichkeit: Die Genfer Compagnie Alias setzt 2001 in der Dampfzentrale Bern auf ulkige Tanzszenen vor, auf und unter den Tischen.