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Poetische Kraft und originäre Sinnlichkeit: Die chinesische Künstlerin Qin Yufen zeigt in Solothurn «The New York Story»

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Ausstellung

Mit der in Berlin lebenden Chinesin Qin Yufen stellt der Kunstverein Solothurn eine Künstlerin vor, die in ihrem installativen Schaffen westliche und fernöstliche Kultur zusammenführt. In ihrer Installation «The New York Story» im Palais Besenval Solothurn reagiert sie unmittelbar auf das aktuelle Weltgeschehen.

Ein wenig gespenstisch mutet sie an in ihrer radikal poetischen Ästhetik, diese Installation, die eher eine nachdenklich stimmende Inszenierung ist in einer für Qin Yufens Schaffen charakteristischen Sanftheit und Harmonie: Da verkeilen und türmen sich Wäscheständer, die wie die weissen Mundschutze zum Repertoire der Künstlerin gehören. Drum herum wie im zufälligen Alltagschaos verstreut und eingebaut allerlei Gegenstände von der Rettungsweste über Plastikelemente bis zum Wecker und zerknüllten Werbepostern. Ein gelbes Schlauchboot ist umgeben von zerrissenen Reisnudeln und Zeitungsasche, ein alter Schuh liegt verloren daneben, eine weisse Gestalt ragt auf - still mahnend.

Insignien der Gegenwart
Makaber sind die Geräusche und Stimmen, die aus diesem Szenario dringen. Stammt doch die Klangkulisse aus dem World Trade Center, als die Welt noch in Ordnung war, aufgenommen von Qin Yufen im Frühjahr dieses Jahres. Über diesen Insignien unserer modernen Zeit thront jeweils ein doppelköpfiges, fremdartig grellbemaltes Maskengesicht, zeigt den Blick nach vorn und hinten, das Vorher und das Nachher. Begleitet werden die Szenen von fast deckenhohen Figuren, aus weisser Seide mit farbigem Seidenpapier aufgerüscht und dekoriert. Sie erinnern in ihrer strengen Theatralik an die Pekinger Oper, welche die Künstlerin auch immer wieder in ihr Schaffen integriert. Durchzogen von verfremdeten elektronischen Klängen im Kontrast westlicher und fernöstlicher Materialien, versinnbildlichen sie Glanz und Glimmer oder die plastifizierte Buntheit der Welt und verstärken so in der Verfremdung der Stilmittel die Symbolik der Geschichte.

Qin Yufen: Fragen stellen und infragestellen
Die Realität hat die Künstlerin nun unmittelbar herausgefordert, Fragen zu stellen und infrage zu stellen. Denn während Qin Yufen mit ihrer Wäscheständerinstallation an der Aare-Mauer einen chinesischen Tempelbau vor der barocken Opulenz des Palais Besenval als ästhedsch-sinnliches Spannungselement inszenierte, führte der Terror in New York brutal vor Augen, wie schnell das Unvorstellbare passieren und auch uns unmittelbar treffen kann. Aus diesem Schock heraus hat nun Qin Yufen auf das Attentat reagiert.
Die vorgesehene Installation, die an sich den Ausstellungsort, das Palais Besenval, reflektieren sollte, wurde zu einer Inszenierung des unfassbaren Geschehens in New York vom 11. September, das allgemeingültig für unsere moderne Welt steht - zur «New York Story», die Qin Yufen weder als Trauerarbeit noch als Replay des Geschehens versteht. Sie stellt vielmehr die Frage, «was mit unserer Welt los ist, warum es keinen Frieden gibt, warum wir nicht in Frieden leben können». Und verganzheitlicht das Chaos unserer modernen Spass- und Konsumgesellschaft, die unwiderrufliche Bedrohung, die Zerbrechlichkeit und Zerstörbarkeit unserer Zivilisation in einem eigenwilligen Spannungsfeld aus westlicher Konzeptkunst, Readymades und fernöstlicher Philosophie samt entsprechender Metaphern.
Die Arbeit von Qin Yufen Arbeit entfaltet dabei ihre poetische Kraft und originäre Sinnlichkeit aus der Verbindung ihrer asiatischen Wurzeln mit einer Formensprache, die von der westlichen Kunst wie von den Erfahrungen der Künstlerin mit ihrer chinesischen Heimat geprägt ist. Dazu arbeitet sie stets ortsbezogen und verwendet alltägliche Dinge, die sie in ein neues Licht der Verhältnisse setzt.

Hoffnungsvoller Dialog
1954 in China geboren und aufgewachsen, kam Qin Yufen autodidaktisch zur Kunst und durch die Untergrundkunstszene zur zeitgenössischen Kunst. Seit ihrer Übersiedlung 1986 nach Berlin - inzwischen führt sie auch ein Atelier in Peking - setzt sie sich in ihren zahlreichen internationalen Ausstellungen mit der Konfrontation von westlicher und chinesischer Kultur auseinander. Wobei es ihr letztendlich darum geht aufzuzeigen, dass die Kunst universal ist, aber eine Verankerung in der eigenen Kultur braucht, um überall verstanden zu werden. Ein Dialog, der mit mal subversiven, mal leicht ironischen Tönen Hoffnung verspricht.
«The New York Story» Die Installation von Qin Yufen ist im Palais Besenval bis zum 13. Oktober 2001 zu sehen. Öffnungszeiten: Di-Fr, 16-20 Uhr; Sa/So, 11-16 Uhr. In Zusammenarbeit mit den Kunstvereinen Göttingen und Heidenheim erscheint ein Katalog. Als Rahmenveranstaltung gedacht ist «small talk» über «big themes», jeweils dienstags und mittwochs, 18-19 Uhr an der Kunstverein-Bar.

Alltägliches Material: Die nachdenklich stimmende «New York Story» der Chinesin Qin Yufen 2001 im Palais Besenval Solothurn. (Foto: Eva Buhrfeind)
Alltägliches Material: Die nachdenklich stimmende «New York Story» der Chinesin Qin Yufen 2001 im Palais Besenval Solothurn. (Foto: Eva Buhrfeind)