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Kubismus - Ein Schock für die Schweizer: «Picasso und die Schweiz» im Kunstmuseum Bern

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Ausstellung

Mit der Ausstellung «Picasso und die Schweiz» zeigt das Berner Kunstmuseum in einer umfangreichen Retrospektive vor allem das von Schweizer Sammlern und Museen zusammengetragene Werk, verstanden als Schweizer Ausschnitt aus dem enormen Œuvre des Spaniers.

Als Max Huggler, Konservator des Kunstmuseums Bern, «Guitare et compotier» von 1924 - das radikalste der monochromen Stillleben Picassos - im Mai 1946 seiner Kommission vorführte, soll Cuno Amiet gesagt haben: «We das gäub wär, wo wyss isch, de chönnt mes choufe...» Womit der Deal geplatzt war. So erwarb Huggler in der Folge lediglich zaghaft figurative klassizistische Picasso-Radierungen für die Sammlung. Weitere Ankäufe von Picasso-Gemälden standen nie mehr zur Debatte. Auch in der Ausstellungspolitik zeigte das Kunstmuseum eine gewisse Zurückhaltung. Eine geplante umfassende Schau des grafischen Werks scheiterte an der mangelnden Kooperation des Meisters.

Zürich vor New York
Die erste Berner Einzelausstellung fand erst 1972 im Kunstmuseum Bern statt, die jedoch nur der Druckgrafik aus der Schenkung von Georges Bloch an die Gottfried-Keller-Stiftung gewidmet war. Erst mit Christoph von Tavels mehr als erfolgreichen Ausstellungen «Der junge Picasso, Frühwerk und Blaue Periode» (1984) und «Picasso, Rosa Periode und Gósol» (1992) stieg Bern im Kunstbetrieb in die internationale Liga auf. Dabei wurde Picasso schon 1908 in einer Zürcher Galerie dem Schweizer Publikum vorgestellt; in Bern erstmals im November 1920 in der Kunsthalle.
Wie vielerorts wurde auch in der Schweiz Picassos Werk nicht von Beginn an akzeptiert. Insbesondere waren Kritiker und Publikum bis in die späten 20er-Jahre über seine Werke der «Periode Nègre» und den darauffolgenden Kubismus schockiert. Gleichwohl wurde Picasso zum festen Bestandteil des modernen Ausstellungsbetriebes und der Schweizer Sammleraktivitäten. Die erste Picasso-Schau in einem Museum fand 1932 in der Kunsthalle Zürich statt. Sie schlug nicht nur das Museum of Modern Art New York aus dem Feld, sondern wurde auch zum Prüfstein für die Befürworter und Gegner.

Schweizer Sammlereifer
Parallel dazu wurden eifrig die ersten Picasso-Werke von Schweizer Sammlern erworben, deren Liebhaberei traditionellerweise auf dem Impressionismus sowie der Schweizer Avantgarde beruhte. Da waren einmal die Berner Hermann und Margrit Rupf, die bei Rupfs Jugendfreund, dem in Paris tätigen Kunsthändler Daniel-Henry Kahnweiler, 1907 ihr erstes Bild von Picasso erwarben und so ihre kleine Sammlung kubistischer Werke begannen. Ihnen folgte der Biberister Sammler Oscar Miller, Leiter der Papierfabrik, der als einer der ersten in der Schweiz, einen frühen Picasso kaufte: den «Tête de Femme» von 1905. Da er jedoch seine Sammlung später auf zeitgenössische Schweizer konzentrierte, verkaufte er es an den Solothurner Sammler und späteren Konservator des Museums, Josef Müller. Dieser ersteigerte in den 20er-Jahren in Paris Bilder von Picasso und war der erste Schweizer Sammler, der sowohl kubistische als auch klassische Werke von Picasso erwarb. Aber auch Rudolf Staehelin und Karl Im Obersteg, Basel, Arthur und Hedy Hahnloser in Winterthur, Raoul la Roche in Paris, Emanuel Hoffmann in Basel zählten zu den wichtigen Sammlern. Die Bestände aus Privatbesitz und eine zielstrebige Ankaufspolitik im Basler Kunstmuseum seit 1951 brachte das grösste und beste Picasso-Ensemble in einer öffentlichen Schweizer Kunstsammlung zusammen.

Über 160 Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen und Druckgrafiken
Mit der aktuellen Berner Ausstellung, konzipiert vom scheidenden Museumsleiter Toni Stooss und Marc Fehlmann, Konservator des graphischen Kabinetts, möchte man mit über 160 Gemälden, Zeichnungen, Skulpturen und Druckgrafiken aus Schweizer Museen und Privatsammlungen die Rezeption Picassos in der Schweiz nachvollziehen. Dazu führt diese Werkschau als eine konservative Retrospektive zu einer chronologischen, schier endlosen Abfolge durch die künstlerische Entwicklung Picassos aus dem Schweizer Sammlungsgeschehen heraus. Das heisst, sie führt zusammen, was gesamtschweizerisch gesammelt wurde, versucht sich dabei annähernd repräsentativ zu verhalten, beginnt daher mit frühen postimpressionistischen Werken von 1898 und endet mit dem Spätwerk anfangs der 1970er-Jahre. Zwar wird so das ausgeprägte Potenzial der Privatsammler dokumentiert, die schon früh zum Erfolg Picassos beigetragen haben. Doch die individuellen Sammlungsansätze und -Schwerpunkte (wie die Beziehungen zwischen Schweizer Sammlern, Händlern und Museen) bleiben vor allem eine Sache des farb- bild- wie textgewichtigen Katalogs.

Selten gezeigte Werke
Dafür wartet die Werkschau mit einigen Besonderheiten auf, wie zum Beispiel «L’aficionado» von 1912 als Höhepunkt des in der Schweiz gesammelten Kubismus sowie mit selten gezeigten Arbeiten. Man lernt die Skulpturen Picassos kennen, die erst nach seinem Tod 1973 in riesigem Ausmass gefunden wurden. Oder man erfährt, wie sich beim Kunstgenie das breite Formenvokabular entwickelte. Und die Schau macht deutlich, dass bei Picasso, der über 30000 Arbeiten hinterlassen hat, besonders im Spätwerk gewisse formale und inhaltliche Mängel kritiklos hingenommen wurden.
Kunstmuseum Bern: bis 6. Januar 2002. Es erscheint ein Katalog (336 S., 48 Fr.), der die Forschungsgeschichte zu Picasso-Sammlern in der Schweiz aufzeigt.

Aus privater Sammlung: Picassos «Buste de femme au chapeau (Dora)» aus dem Besitz der Sammlung Beyeler, Riehen.
Aus privater Sammlung: Picassos «Buste de femme au chapeau (Dora)» aus dem Besitz der Sammlung Beyeler, Riehen.
Aus privater Sammlung: Picassos «Buste de femme au chapeau (Dora)» aus dem Besitz der Sammlung Beyeler, Riehen.
Aus privater Sammlung: Picassos «Buste de femme au chapeau (Dora)» aus dem Besitz der Sammlung Beyeler, Riehen.