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Intim, sinnlich und sehr direkt: Dieter Halls «Bed, Bathroom and Beyond» im Kunstmuseum Solothurn

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Ausstellung

Die Sujets scheinen ungewöhnlich, manche irritierend und dennoch in der Malweise vertraut. Im Graphischen Kabinett präsentiert das Kunstmuseum Solothurn farbkräftige Männerakte sowie Interieurs vom gebürtigen Zürcher Dieter Hall.

«Bed, Bath & Beyond» heisst ein Laden für Bett- und Badewäsche in New York. Von Dieter Hall als Ausstellungs- und Katalogtitel mit «Bed, Bathroom and Beyond» leicht verändert übernommen, unterstreicht der Künstler somit in seinen malerischen Aussagen jene profanen Bereiche der alltäglichen Bedürfnisse - das Bad, das Schlafzimmer, Bettwäsche, Handtücher, Duschvorhänge, Kacheln und den nackten Menschen in diesen privaten Räumlichkeiten. Und es ist denn auch diese Selbstverständlichkeit einer selbstvergessenen Intimität, die in der direkt dargestellten Männlichkeit erst irritiert, um dann vor allem durch die leuchtenden Farben zu wirken.

Dieter Hall: Intimität als anonyme Normalität
Der 46-jährige Dieter Hall, der seit 20 Jahren in New York lebt und sich seit vielen Jahren auch aus seiner persönlichen Haltung heraus mit Männerakten beschäftigt, zeigt in dieser ersten Museumsausstellung einmal einen dunkelhäutigen jungen Mann in einer oftmals unmittelbaren Nacktheit in der Badewanne, auf der Toilette, bei ganz gewöhnlichen Verrichtungen des Anziehens, Entkleidens, Waschens, Abtrocknens. Gelassen, den verinnerlichten Blick nie auf die Betrachter gerichtet, belässt dieser männliche Akt seiner Intimität eine gewisse anonyme Normalität, die ohne Voyeurismus auskommt. Eine Normalität, die in den menschenentleerten Bade- und Schlafzimmereinblicken zu seelenräumlichen Stillleben vertieft wird und die für manche vielleicht radikale Offenheit abmildert.

Taktile Weichheit einer fassbaren Sinnlichkeit
Der Männerakt ist in der Kunst ein eher selten gewähltes Motiv und beschreibt in der Moderne eher spezifische Lebensfragen. Dieter Hall generiert in diesen Männerakten keine sexualisierten Figuren. Vielmehr malt er das direkt erlebte Gegenüber in einem schützenden Innenraum, der in dieser unprätentiösen Darstellung auch eine subjektive Emotionalität ermöglicht. Dieses körperliche Bewusstsein erfährt insbesondere durch die leuchtenden, direkt mit der Hand tief eingeriebenen Pastellkreiden die taktile Weichheit einer schon fassbaren Sinnlichkeit. Doch auch wenn Dieter Hall besonders auf die Kraft der Farben, Form und Komposition aufbaut, so sind seine Bilder auch Inszenierungen, die hinter den einfachen Inhalten sinnbildhaft Leben, Lieben, Vergänglichkeit, die Abwesenheit einst Anwesender andeuten: Da hängen drei weisse Handtücher wie Leichentücher an den Haken, der vierte hingegen ist leer. Zwei Gläser stehen auf dem Tablett, doch nur noch eine Zahnbürste ist zu sehen. Die immer wieder fokussierte, leere Badewanne wirkt wie ein Sarg. Einsame Tücher, erste Schatten, das nächtliche Zimmer sind sensible Zwischentöne einer plakativen Farbigkeit.

Dieter Hall: sensuelle Verletzbarkeit aus männlicher Sicht
Dazu malt der ausgebildete Kunsthistoriker bewusst unakademisch und verweist dabei auf seine Vorbilder Edgar Degas und Pierre Bonnard. Auch zitiert er andere Maler wie Matisse, Gauguin, verwandelt in manchen Werken Tapeten, Stühle, Pflanzen zu ornamentalen Mustern. Um sich gleichzeitig auf die amerikanischen Aktmaler und -fotografen zu beziehen. Dabei vertieft Dieter Hall durch die bewusste Überzeichnung von Händen und Füssen und in den leicht verzerrten Anschnitten das Native einer persönlichen Stimmung. Ebenso vermeidet Hall allzu Dekoratives, indem er einmal den Hintergrund zu klar abgegrenzten Farbflächen abstrahiert. Dazu arbeitet er vor allem mit den Grundfarben Rot, Gelb, Blau und einem allegorisch wirkenden Schwarz und Weiss, die er dann zu Betten, Kissen, Wannen, Tüchern, Wänden, einfachsten Möbeln markant gegeneinander konturiert. Eine eigenwillig das Körperhafte distanzierende Vereinfachung, die er in den neuen Bildern weiter verflacht. Konfrontierte Dieter Hall früher mit seinen Akten, so spricht er mit den seit 1999 entstehenden Pastellen nun die sensuelle Verletzbarkeit aus männlicher Sicht an. Mit der im nächsten Monat im Kunstmuseum Solothurn beginnenden Orient-Ausstellung kann man dann vergleichen, wie der weibliche Akt aus männlicher Sicht oft einschlägig gedeutet wird.
Geöffnet bis 6.1.2002: Di bis Fr 10-12 und 14-17 Uhr, Sa und So 10-17 Uhr. Es erscheint ein Buch zur Ausstellung. Öffentliche Führungen: So, 18.11,11 Uhr (in Anwesenheit des Künstlers) und So, 9.12., 11 Uhr.

«Knieend auf Bett»: Männerakt von Dieter Hall 2001 im Kunstmuseum Solothurn.
«Knieend auf Bett»: Männerakt von Dieter Hall 2001 im Kunstmuseum Solothurn.