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Immer in Kontakt und doch allein: «Compagnie el contrabando» zeigt im KreuzKultur Solothurn ihre neuste Produktion

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Tanztheater

«El contrabando» zeichnet mehr aus als nur die Modernisierung des Flamencos. Die im «Kreuz»-Saal Solothurn aufgeführte Choreografie «Sehen.Hören.Vergehen» vereint ursprüngliche Flamenco-Elemente mit modernem Ausdruckstanz zu einem beeindruckenden Spiegel unserer Kommunikationsgesellschaft.

Kommunizieren, telefonieren, immerzu, oberflächlich, schnelllebig. Nervös und hektisch drängt die junge Frau im Business-Dress und mit Aktentasche in zackigen Flamenco schritten in die Telefonzelle, zerschneidet aggressiv gestikulierend Worte, Gefühle. Das allgegenwärtige, imaginäre Handy im Krampf an die Schulter geklemmt oder in extensiv tänzerischer Unruhe suchen die Agierenden für kurze Augenblicke Nähe und stossen doch nur auf Irritation. Sie ringen und winden sich, rennen beruflich, privat gegen Mauern, gegen Menschen. Immer im Kontakt und doch allein. Bis dann mal nichts mehr geht, alles verstummt und alle ratlos, sprachlos auf sich zurückgeworfen, kein Lebenslärm mehr ablenkt. Hören und Sehen ist ihnen vergangen, sie trauen in der Stille dem geflüsterten Worte nicht mehr.

Die Welt hat sie wieder
Es ist der dominante Flamenco, der zum Ausbruch drängt, der sich ekstatisch die Insignien des Alltagsstresses, die Aktentaschen, zerstörend entlädt. Der Ernüchterung folgt die Erschöpfung, bis aus dem Nichts ein Handy klingelt. Die Welt hat sie wieder.
Der heutige Kommunikationsrausch, aber auch die Leere, die sich offenbart, wenn diese Kommunikation zusammenbricht, ist das Thema von «Sehen.Hören.Vergehen». Dazu stehen in der vierten Produktion der «Compagnie el contrabando» aus Zuchwil mit den Flamencotänzerinnen (Anet Fröhlicher und Antonia Moya) und den zeitgenössisch ausgerichteten Tänzern (Bettina Fischer und C. Enrico Musmeci) zwei Tanzstile gegenüber, die ihre ganz eigene Sprache haben. Und die sich in dieser eindrücklichen Konfrontation der an sich fremden Tanzelemente immer wieder gegenseitig zu einem feinabgestimmten Wechselspiel inspirieren. Da entwickelt der Flamenco im ausdruckstänzerischen Moment feine Zwischentöne, um sich dann doch wieder auf seine ureigene Kraft zu besinnen. Konzentriert auf diese Ursprünglichkeit, verkörpert er die lautmalerische Seite heutiger Gefühlswelten, das Aggressiv-Fordernde und Herausfordernde.
Hinein greift der moderne Ausdruckstanz mit moderaten, vielgestaltigen Körperbildern, gibt sich elegischer, fliessender. Unermüdlich in der Bodenarbeit, im Körpereinsatz zwischen Innigkeit und Expression, nähern sich die beiden dem Flamenco, greifen Schritte und Gebärden auf. Um dann wieder in ihren geschmeidigen Tanz zurückzufinden, eingebettet in eine faszinierend die Höhen und Tiefen auslotende Musikdramaturgie (Andi Pupato) aus modernem Flamencosound über schottische Klänge, Techno, Drum’n’Bass. Rational-karg auch die Bühneninstallation, die mit wandelbaren Stellwänden private und öffentliche Zellen verallgegenwärtigt.

Intensive szenische Bilder alltäglicher Sprachverstörungen
Dazu setzen sporadisch Frauenstimmen, die aus dem Off bedächtig und vertraut miteinander reden, bewegende Kontrapunkte. Doch el Contrabando erzählt keine Geschichten. Theatralisch, temperamentvoll (Dramaturgie Benjamin Kradolfer) entwickeln die vier bewegungsfreudigen Tanzschaffenden intensive szenische Bilder alltäglicher Sprachverstörungen, deren anfänglich stringente Spannung sich zum Ende hin jedoch zu immer neu variierten Tanzformeln verselbstständigt und derart die sinnbildhaften Stimmungen etwas zerdehnt.
Weitere Aufführungen: Dampfzentrale Bern 13./14. November 2001. Aarau, Saalbau, 16. November 2001, jeweils 20.30 Uhr.

Die Flamencotänzerinnen Anet Fröhlicher (links) und Antonia Moya 2001 im «Kreuz»-Saal Solothurn in Aktion.
Die Flamencotänzerinnen Anet Fröhlicher (links) und Antonia Moya 2001 im «Kreuz»-Saal Solothurn in Aktion.