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Fusion von Formen, Gedanken, Erklärungen: Zeichnungen und Objekte von Pavel Schmidt aus 25 Jahren im Kunsthaus Grenchen

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Ausstellung

Mit einem Rückblick auf Pavel Schmidts Arbeiten auf Papier verabschiedet sich Dolores Denaro als Leiterin des Kunsthauses Grenchen. Unter dem Titel «Bezeichnungen und Beziehungen» gibt eine konzentrierte Auswahl aus den letzten 25 Jahren einen Einblick in das Gedankengut des Künstlers Pavel Schmidt.

«So zeichnet sich allmählich das ‹nichts› ins ‹etwas› hinein und wird zu ‹allem›.» Ein Satz aus dem Buch zur Ausstellung, der kryptisch sich verschlüsselt und dennoch etwas Offensichtliches offenbart, wie denn «auf dieser ebene der verknüpfungen des ‹alles und nichts›, von ‹nichts und etwas› und beziehungsweise des ‹sein und nicht sein›» die Zeichnung einsetzt, aus der Zeichen entstehen. Doch es sind mehr als Zeichen, mehr als deren Verknüpfungen und Verschlüsselungen.

Alchimist Pavel Schmidt und seine Metamorphosen
«bezugszusammenhänge» nennt es der 45-jährige Pavel Schmidt in seinem Text, von Bezeichnungen, und letztendlich immer wieder das Bezeichnen und Begreifen von Bedeutungen, dieses künstlerische sich einen Begriff von etwas machen, in einen Bezug setzen, in Ergänzung zu ihren Bedeutungen.
Ein Alchimist ist Pavel Schmidt somit, der auflöst und neu ordnet: Die antike Statue, der Gartenzwerg, zersprengt und neu zusammengeflickt, ergeben eine Synthese von Symbol, Figur und Form. Das Kunstpuzzle mit Botticellis Venus und Michelangelos David vermählt die beiden, ideologisch, formal, sinnbildlich zu einem neuen Kontext. Ob Zeichnung, ob kunsthistorische Artefakte und Werte, ob medizinische Publikationen, die menschliche Figuren behandeln, ob Alltagsfundgegenstände, ob Zeichen, Begriffe oder Zeichenhaftes - alles unterliegt bei Pavel Schmidt der Metamorphose, der Umdeutung und Umkehrung, dem Neuformulieren aus der Auflösung. So auch, wenn er kitschige Landschaftsfotografien, die als sakrale Triptychen auftreten, mit profanen Warnbildern markiert und so wieder säkularisiert.

Kunsthaus Grenchens chronologischer Überblick zu Pavel Schmidt
Pavel Schmidt, im tschechischen Pressburg geboren, in Biel aufgewachsen, in Bern Chemie studiert, in München die Akademie der Bildenden Künste besucht, Assistent bei Daniel Spoerri, lebt und arbeitet in München und Solothurn. Diese Retrospektive mit rund 120 Zeichnungen, Studien und Objekten - das Kunsthaus Grenchen hat in seinem Künstlerarchiv einige druckgrafische Arbeiten von Pavel Schmidt - zeigt im Erdgeschoss einen chronologischen Überblick über die Entwicklung: Erste vorakademische Studien und Skizzierungen, die schon früh mit den Bedeutungen und Sinnbildhaftem spielen. Dann die experimentelle Suche und Orientierung, wobei er Haltungen, Ideen paraphrasiert, schon früh Texte einbaut, die er später als wesentliches Merkmal wieder in die Bilder aufnimmt. Wobei die Texte nie die Bilder illustrieren, noch die Bilder die Texte erklären. Es sind Synthesen von Gedanken, Zusammenhängen und Bezeichnungen.
Die 1970er- und frühen 1980er-Jahre, das ist die Auseinandersetzung mit Form, Figur, Raum, Bewegung, Struktur, die Pavel Schmidt in einer gewissen zeichnerischen Beliebigkeit bis ins Abstrakte ableitet, kalligrafisch auflöst, dann wieder Körperhaftes anschlägt. Um dann aus dem Zeichnerischen, vom Tabernakel ausgehend, den Bogen zu entwickeln, den Rundbogen, der wie die Schädeldecke, eine Glocke das folgende Universum umfasst, und in den Glassturzobjekten, den «Globe de verre», wie ein hermetischer Raum das Denken und Formulieren abschirmt. Die Zeichnung, die malerische Skizzierung ist immer auch ein spontaner, bei Pavel Schmidt unbewusst-bewusster Akt, von einem philosophischen Hintersinn, der in den Texten eine expressiv-surreale bis dadaistische Lyrik ansteuert und in den Objekten ihre dreidimensionale Erweiterung und Vertiefung findet.

Werkgruppen im Obergeschoss
Im Obergeschoss sind Werkgruppen verschiedener Themenkreise arrangiert. Natürlich die Rundbogen in seinen Variationen und Ableitungen zu assoziativen Formen und gestischen Verdichtungen, die er dann auch auflöst zu Kugeln, die sich wie Gestirne ihre Bahnen ziehen.
Dann die Auseinandersetzung mit den kunsthistorischen Artefakten, also mit deren Kopien, mit medizinischen Abbildungen, mit Fundstücken, sei es bildhafter Art oder Ready-mades, Fotografien, alte Stiche, mythologische Sinn- und Bedeutungsträger, die er aus ihrem ursprünglichen Sinnbild und Symbolgehalt herausholt, die Begriffe, Bedeutungen sprengt - indem er sie entweder übermalt, verzeichnet oder neu überklebt.
Diese Zerstörung des Hergebrachten, Vorgefundenen führte auch zur realen Sprengung von Figuren und Skulpturen als theatralische Aktion und der Neuschöpfung teils skurriler Figuren. Wobei diese Zerstörung der erste Schritt ist, um aus den Fragmenten, aus der Veränderung nach seinen Regeln etwas Neues zu schaffen.

Pavel Schmidt: immer wieder neu chiffrieren und dechiffrieren
Entscheidend dabei ist die Fusion von Formen, Gedanken, von Erklärungen und immer wieder von Begriffen und Bezeichnungen, die Suche nach Aggregatzuständen und Zustandsveränderungen, bis seine Arbeiten ihren symbolisch-assoziativen Doppel-Charakter erhalten, der oft ein Grenzcharaktcr ist, indem sich das Kryptische und das (Nicht-)Offensichtliche in ihren «Bezugszusammenhängen» immer wieder neu chiffrieren und dechiffrieren.
Buch und Führung Bis 6. Januar 2001, geöffnet: Di, Mi, Fr, Sa, So 14-17, Do. 17-20 Uhr. Am Sonntag, 25. November 2001 findet eine Ausstellungsführung mit Pavel Schmidt statt. Zur Ausstellung erscheint ein Buch mit begleitenden Texten des Künstlers.

«Eigentlich zeichnen wir mit geschlossenen Augen»: Werke von Pavel Schmidt 2001 im Kunsthaus Grenchen.
«Eigentlich zeichnen wir mit geschlossenen Augen»: Werke von Pavel Schmidt 2001 im Kunsthaus Grenchen.