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Design im Zeitalter der Nüchternheit: Ausstellung zum Designpreis im Kunstmuseum Solothurn

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Ausstellung

Zum fünften Mal wurde am Freitag der international ausgeschriebene «Design Preis Schweiz» vergeben. In der Ausstellung im Kunstmuseum Solothurn ist vor allem funktional-sachlich Ausgerichtetes, Optimiertes oder Erneuertes zu entdecken. Visionäre Ansätze sind kaum zu erkennen.

Ein Stuhl ist ein Stuhl. Und ein Produkt. Der Stuhl und sein Design ist ein beliebtes Tummelfeld für Gestalter. Die Stühle im Kunstmuseum geben sich wie die Jahre zuvor unprätentiös in der klaren Form und dem qualitativen Anspruch. Man erkennt eine immer wieder ansprechende puristische Sachlichkeit wie auch bei den anderen Möbel-Kreationen, aber nichts Neues, Überraschendes; die Grundideen, Variationen und Modifikationen bleiben sich gleich: zeitlos, schnörkellos, praktisch. Ein schwedisches Möbelhaus greift den frühen Avantgarde-Gag des aufblasbaren Sofas auf und bringt es im Cash-and-Carry-Verfahren rezyklierbar unter die Massen. Der Nutzen des schwankenden ES-Regal ist eher fraglich, der Originalität allein gebührt die Aufmerksamkeit.
Der Preis ging diesmal an eine Lampe: «Aero» von Ettore Sottsass. Eine breitflächige Hängeleuchte, die an der schlichten Drahtseilaufhängung zu schweben scheint. Eine neuartige Lichtlenkungs-Technologie aus den USA, Wave Guide genannt, senkt das einstrahlende Licht um mehr als 90 Prozent, so dass diese Leuchte direkt über den Arbeitsplätzen hängen kann.

Formschöne Industrieprodukte
Design gibt der Funktion die überzeugende Form und ist somit ein weites Feld. Nicht nur für Unikate, sondern inzwischen auch für ganze industrialisierte Produkteketten. Vom Ventil über die Walze bis zu den Dienstleistungen hat Design ein verkaufsförderndes Image und steht, wie es Walter Steinmann, Co-Präsident des «Design Preis Schweiz» formulierte, für «Anmutung, Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit». Das Gebot «Form follows function», einst vom Bauhaus formuliert, wird nun von einigen kreativen Gestaltern zum «Function follows form» gekehrt, oftmals arbeiten Designer, Ingenieure, aber auch Marketingspezialisten Hand in Hand. Die ausgestellten Arbeiten geben ein Bild von Sachlichkeit und von einer gewissen Farblosigkeit, eine nüchterne Ästhetik zeichnen die meisten Arbeiten aus.
547 Werke aus 18 Ländern wurden eingereicht, neun Jurorinnen und Juroren wählten in zwei Durchgängen insgesamt 51 Anerkennungen aus, darunter fünf Preisträger. Zum erstenmal wurde die Kategorie Produkte aufgeteilt in Möbel und Industrial Design. Denn allein das Industrie-Design beinhaltet eine enorme Kapazität wie Komplexität. Neben dem preisgekrönten «Caulking Gun», ein medizintechnisches Werkzeug von Slobodan Tepic und Mathys Medizinaltechnik (Bettlach), gibt es mancherlei zu bestaunen. Alltägliche Dinge steigern durch eine gelungene oder verbesserte Gestaltung ihren Wert: Malerpinsel, die mittels Kerbe an den Eimer gehängt werden, Kaffeerahmflaschen, die nicht mehr den berüchtigten Tropfen hängen lassen, eine Taschenlampe, die nur noch aus Batterie und Birne besteht, Aufbewahrungsboxen für Schrauben und Nägel. Ein Landminensuchgerät, leicht zu bedienen und zusammenklappbar, stört ein bisschen die Idylle und gehört doch in vielen Ländern zum überlebensnotwendigen Utensil.

Textilien: nützlich bis heikel
Im zweiten traditionellen Design-Bereich, den Textilien, wurde ein schwarzer Papierteppich von Hugo Zumbühl und Peter Birsfelder preisgekrönt. Gefertigt wurde er in der Anstalt Thorberg aus säurefreiem Papier, hanfverstärkt und gewachst zum Schutz und Glanz. Die Alternativen zu diesem fernöstlich angehauchten Minimal Art-Design sind ein tragbares High-Tech-Textil sowie jugendlich-verspielte Handtäschchen.
Der «Design Preis Schweiz» will mit dem Willy-Guhl-Preis auch den Nachwuchs fördern. Ausgezeichnet wurde das medizinische Gerät «Twinsulin» für Diabethiker (Thorsten Rohmann, Wuppertal). Ansonsten werden unter anderem Kleiderordnungen ausgesetzt - alles ist erlaubt und vor allem durcheinander. Ein motorbetriebenes Velo sieht chic und ansprechend aus, die feinstgestrickten Kleider der ungarischen Teilnehmerin sind luftig-edel, aber heikel. Und der Rettungsschlitten aus Kassel dient darüber hinaus als Rucksack.
Auch die Dienstleistungsbranche ist stetig auf der Suche nach innovativen Ideen. Dieses Jahr überzeugte Veloland Schweiz, hervorgegangen aus dem «Velobüro Olten», einer Vereinigung begeisterter Radfahrer, mit seinem vorbildlichen Konzept: ein national vernetztes und international vermarktbares, touristisches Serviceangebot für Velowanderer.
Der Verdienst-Preis geht dieses Jahr an den Verleger, Grafiker und Buchgestalter Lars Müller aus Baden. Eine Auswahl der von ihm gestalteten Bücher dokumentiert im Graphischen Kabinett ein Engagement, das Design und Buch verbindet. Jedes Buch geniesst seine inhaltlich relevante Individualität und beweist gleichzeitig, wie ein Design ein Buch formal kultiviert.
Die Ausstellung im Kunstmuseum Solothurn dauert bis 6. Januar 2000

Paradebeispiel für Industrial-Design: Eine formschöne, bunte und funktionale Walze.
Paradebeispiel für Industrial-Design: Eine formschöne, bunte und funktionale Walze.
Ein Rand am Ausguss verhindert das Klebenbleiben (und Versauern) des letzten Kaffeerahm-Tropfens.
Ein Rand am Ausguss verhindert das Klebenbleiben (und Versauern) des letzten Kaffeerahm-Tropfens.
«Caulking gun», die Spritzpistole mit dem feinen Griff für Knochenschlosser.
«Caulking gun», die Spritzpistole mit dem feinen Griff für Knochenschlosser.
Auch Dienstleistung braucht Design: Das Velobüro Olten hat mit «Veloland Schweiz» Massstäbe gesetzt.
Auch Dienstleistung braucht Design: Das Velobüro Olten hat mit «Veloland Schweiz» Massstäbe gesetzt.