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Wechselnde Mode kostbarer Stoffe: Englische Seiden in der Abegg-Stiftung in Riggisberg

Verfasst von Eva Buhrfeind |

An der diesjährigen Sonderausstellung in Riggisberg werden anhand originaler, kostbarer Seiden und Brokate die rasch wechselnden Modeströmungen sowie die bedeutende englische Seidenindustrie jener Zeit nachgezeichnet.

Die Abegg-Stiftung besitzt - auf dem Kontinent einmalig - in ihrer Textilsammlung etwa 100 englische Seidenstoffe des 18. Jahrhunderts. Besonders in den letzten zehn Jahren wurde der Bestand gezielt vervollständigt, so dass nun mit 45 ausgewählten Seiden die stilistische Entwicklung dieser edlen Stoffe aufgezeigt werden können. Zwar reicht die Londoner Textilindustrie bis ins Jahr 1155 zurück, der Aufschwung der Seidenweberei kam jedoch erst mit den hugenottischen Glaubensflüchtlingen aus Frankreich im späten 16. Jahrhundert. Unter deren Einfluss wurden ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts breite Stoffbahnen mit reicher, broschierter Verzierung gewebt.

Wucherndes Blattwerk
Dominierte ab 1690 bis ungefähr 1712/13 der heute als bizarr bezeichnete Stil - gelängte Muster mit einer markanten Diagonalbewegung und meist abstrakten Motiven sowie reichlich verwendeten Gold- und Silberfäden -, verlagerten sich diese bizarren Muster allmählich in den Damasthintergrund. Vordergründig verdeckt von halb-naturalistischem Blattwerk und Blumen. In den 20er- und 30er- Jahren des 18. Jahrhunderts trat das Spitzenmuster hervor. Doch auch hier steigerte sich das Webdesign, wurde teilweise von reichlich wucherndem Blattwerk überdeckt. Solche Stoffe kontrastieren dann mit den völlig gegensätzlichen Effekten, anhand derer einige Entwerfer ziemlich plötzlich versuchten, mit dem zweidimensionalen Medium dreidimensionale Formen darzustellen.

Wachsender Markt für englische Entwerfer
Während mindestens einer Generation, von 1730-1960, arbeiteten die englischen Entwerfer, unabhängig vom französischen Geschmack, ermöglicht durch die wirtschaftliche Eigenständigkeit. Die englischen Seiden des Rokokko zeigen botanisch-naturalistische, wie zufällig auf der Fläche verstreute Blumen - ganz im Gegensatz zu den französischen, stark stilisierten und weniger detaillierten, floralen Mustern.
Doch das Wesen der Mode ist ein wechselhaftes und ab 1750 rückte der botanische Naturalismus in den Hintergrund. Die Blütenstiele wurden kurz beschnitten und die Auswahl an Blumen fast ausschliesslich auf Rosen und Nelken oder auf stilisierte Formen beschränkt. Der aufkommende Neoklassizismus nach 1770 führte zu einem Abklingen der buntgewebten Seidenkleiderstoffe. Jetzt verlangte die Mode beidseitig des Ärmelkanals nach weich fallenden, leichten einfarbigen Seiden oder Baumwollstoffen. Vor allem bedruckte Baumwollstoffe entwickelten sich zur starken Konkurrenz der Seiden. Nach den steifen, reich gemusterten Seiden bestand bis zum Ende der Napoleonischen Kriege bei den modebewussten Damen keine Nachfrage mehr.
Bis 1. November 1998, täglich von 14 bis 17.30 Uhr.