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Standortbestimmung in der Ton-Kunst: 67 Kunstschaffende aus sechs Ländern an der 13. Spiezer Keramikausstellung

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Ausstellung

Vielleicht nicht so extrem wie der Andrang bei der Picasso-Ausstellung in Bern, aber doch eines recht grossen Besucherzuspruches erfreut sich 1992 die 13. Spiezer Keramikausstellung. Der Bogen spannt sich vom traditionellen Kunsthandwerk bis zum experimentellen, rein künstlerischen Ausdruck und bewährt sich als eine ausführliche Standortbestimmung in der derzeitigen europäischen Ton-Kunstszene.

Nach gut vierjährigem Unterbruch findet in Spiez wiederum die seit 1976 regelmässig von der Spiezer Kunst-Gesellschaft organisierte Keramikausstellung statt. Aus organisatorischen Gründen wurde die diesjährige Veranstaltung ausnahmsweise nur als Einladungsausstellung konzipiert. Von 88 angeschriebenen Keramikerinnen und Keramikern, mehrheitlich ehemalige Wettbewerbsteilnehmer, präsentieren 67 Kunstschaffende aus sechs Ländern - neben der Schweiz auch Deutschland, Österreich, Frankreich, die Niederlande und Polen - ihre Arbeiten in der Seemattenturnhalle.

Zahlreich und vielfältig
So zahlreich wie die Teilnehmer und deren Fülle an Exponaten, so vielfältig zeigen sich auch die Formen und die Materialverarbeitungen. Die Glasuren sind in den Farben eher zurückhaltend, mal klassisches Dekor, dann wieder ein eigenständiges, kreativ zu erforschendes Terrain, oft ein spannender wie unabdingbarer Bestandteil des Gesamtausdruckes, sei es zum Verfremdungseffekt, sei es zum Betonen der tonerdigen Ursprünglichkeit des Materials.
Ein wenig aus der Reihe fallen die eher bieder anmutenden, handwerklich soliden Clownsfiguren von Jolanda Kaschmieder oder die traditionelle Heimatwerk-Kunst in einer ausgefeilten Engobemalerei von Rolf Mösching. Ein grosser Teil der Exponate bewegt sich auf dem weitläufigen Spielfeld des zeitgenössischen Kunsthandwerkes: Vor allem Schalen, Teller, Schüsseln, Gefässe bilden eine beliebte Form, deren Gestalt sich immer wieder neu variieren lässt, so dass ihre gebrauchsgegenständliche Bedeutung oftmals nahtlos übergeht in eine dekorative Funktion oder zum Kunstobjekt.
Klassisch-konservatives und dessen individuelle Weiterentwicklung wie zum Beispiel beim Emmentaler Keramik-Fachlehrer Aschi Rüfenacht findet man ebenso wie Verspieltes, Phantasievolles, originelle Kreationen, strenge klare Kompositionen, deren schnörkellose Eleganz von einer avantgardistisch-ästhetischen Sachlichkeit bis zu einer futuristischen Rationalität reicht.
Aber auch auf einen asiatischen oder nativ-archaischen beziehungsweise prähistorischen Ausdruck wurde zurückgegriffen, der durch spezielle Glasurtechniken intensiviert wurde. So erinnern die Gefässe der Bernerin Eva Bärtschi an antike Fundstücke.
Der Bereich der Skulpturen und Objekte zeichnet sich ebenfalls neben Perfektion durch Vielfalt, Ideenreichtumg und Experimentierfreudigeit aus. Figurativ oder zur völligen Abstaktion umgesetzt erhalten manche Arbeiten durch die Betonung des bildhauerischen Aspektes ein neues Gewicht. Auch wenn die Schweizer Keramikschaffenden überzeugend in dieser internationalen Szene bestehen können - so Gilberte Schori, die Solothurnerin Elisabeth Pott-Bischofsberger mit ihren fragilen Porzellanobjekten, Christian Beck mit über überschlank-sensiblen, fremdartigen Stelen oder Ernst Häusermanns archaische Arbeiten -, so kommen neue Impulse doch eher aus dem Ausland. Ein Wasserhahn, kaputte Kacheln, ein Rohr, Ton: Ein Stoff aus dem auch die Verfremdung, die Irritation ist, wie die Installation aus Keramik des Belgiers Jacques Iezzi beweist. Und auch aus der kunstvoll raffinierten Täuschung, denn die metallischen, dämonischen beziehungsweise schildkrötigen Maschinen des Franzosen Jean Fontaine, unheimlich mit den Zahnrädern, Drahtseilen, Sägeblättern, ja sogar mit einem Beil und so lebendig wirkenden Menschenhänden, sind wahrhaftig aus Keramik.
Den Ton von seiner Erdhaftigkeit, Bodenschwere befreit hat die Süddeutsche Rita Schaible-Saurer; mit Drahtgeflecht zu luftig-leichten Segeln verarbeitet, schwebt er nun in der unendlichen Leichtigkeit des künstlerischen Seins.

Sonderausstellung
Die diesjährige Sonderausstellung bestreitet der Deutsche Wilfried Maria Blum. Hier tut sich eine wahrhaft surreal anmutende, phantastische Fabelwelt auf: feingliedrige Echsen, Frösche, Libellen, die aus Tellern, Scherben, Eiern, Gefässen wachsen. In diese unheimliche, hyperrealistisch dargestellte Welt schickt er nun einen Dämonen aus der japanischen Mythologie, um mit ihm sich mit dem Hauptthema von Einheit und Gegensätzlichkeit oder sehr kritisch mit der Kirchengeschichte auseinanderzusetzen, wenn er zum Beispiel so einen Teufel in Papstmontur auf einer überdimensionierten Hyäne reiten lässt. (Bis 2. August 1992)