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Haarscharf am «Zuviel» vorbei: Das Städtebundtheater Biel/Solothurn spielt Goldoni-Stück

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Theater

Mit ihrer diesjährigen Sommerproduktion, Carlo Goldonis «Diener zweier Herren», im Minitheater des Schlosses Waldegg in Premiere gegangen, bietet das Städtebundtheater Biel/Solothurn clowneske, kurzweilige Unterhaltung pur. Die zum grössten Teil gelungene Narretei, das ausgelassene Komödiantentum, drohte nur hin und wieder zu entgleisen.

Das ist schon fast eine zircensische Leistung, die Hans Schatzmann als clownesker Diener Truffaldino bietet. Ein rechter Hofnarr, nicht umsonst trägt er denn auch das Narrengewand, aber auch ein wenig von dieser Welt, wie es Jeans und Turnschuhe bezeugen. Wie er trotz der zunehmenden, dumpfen Schwüle da herumzappelt und hibbelt, mit den Armen rudert und die Augen rollt, Unschuldslamm und Spitzbube, seine Allotria treibt zur eigenen Freude wie der des Publikums und des ganzen Ensembles, schwatzt und schwitzt, für stetig neue Konfusionen sorgt, nur damit seine beiden Herren nichts voneinander erfahren.

Sprachwitz und -tempo
Da lohnte es sich für die letzte Reihe schon mal aufzustehen, um alles mitzu- bekommen, wenn er zum Beispiel gierig mit dem roten Wackelpudding schäkert oder einen fremden Schuldschein zer- reisst, um mit den Fetzen auf dem Boden die richtige Servierordnung zu demonstrieren. Ein naiver kindlicher Clown und possentreibender Einfaltspinsel, wie er im Theaterbuche steht, und doch pfiffig, dreist genug für neue Einfälle. Und lebendiger Beweis, dass die ersten Figuren der Commedia dell’Arte dem venezianischen Narrentreiben entstammen. Wie dieses 1746 in Venedig uraufgeführte Lustspiel sowieso noch recht dem italienischen Stegreiftheater verpflichtet ist und Truffaldino dem «Arlecchino», der aus dem ursprünglichen Diener, dem «Zanni», dem Mittelpunkt dieser Komödien, hervorgegangen ist, in nichts nachsteht: dummschlau und gefrässig, gelenkig wie unverschämt. Da braucht es wirklich Improvisation, Sprachwitz und -tempo, akrobatische Gestik und Mimik, eine artistische Zunge, wenn es dann gilt, beide Herren, die als Mann verkleidete Beatrice und ihr Liebhaber Florindo, getrennt, aber gleichzeitig servieren.

Stegreifposse
Stegreifposse pur und Slapstick-Klamauk kommen da zusammen, ein Gaudi für alle und immer haarscharf am «Zuviel» vorbei. Überhaupt scheint sich die Inszenierung - von Regisseur Peter Ehrlich stammt auch die neue, modernisierte Fassung - wie das Ensemble selbst nicht so wichtig, den Schauspielauftrag nicht so bieder ernst zu nehmen. Die restlichen Figuren, deren Grundzüge noch dem italienischen Volkstheater zu entstammen scheinen, jedoch schon von Molière, dem grossen Vorbild Goldonis, angehaucht sind, sind fröhlich und routiniert überzeichnet, werden so zu einer stereotypgerechten Parodie: der misstrauische, leicht zu übertölpende Pan- dolfo (Aldo Huwyler), seine schönbiestige Tochter (Janine Renaud), der la- teingeschwätzige, scheingelehrte Dottore (Peter Glauser), der realistische, aufbrausende Wirt (Raoul Serda), die charmante Beatrice (Monika Niggeler) der edle Florindo (Beat Albrecht), die verliebt-naive Zofe (Denise Schütz), die restlichen Mitstreiter.

Zügig und unzimperlich
Zügig und unzimperlich steigert sich das lebhafte, dramaturgisch leichtgewichtige Geschehen auf der Bühne zu einer Stegreifposse und zur Molièresche Charakteren persiflierenden, kurzweiligen Narretei, die rechtzeitig, bevor sie doch ins überdrehte Volkstheater abrutscht, die jeweils Liebenden ins Happy-End und das trotz Hitzestau überaus begeisterte Publikum nach Hause schickt.

Das Städtebundtheater Biel/Solothurn spielt 1992 das Goldoni-Stück «Diener zweier Herren» mit Hans Schatzmann und Peter Ehrlich.
Das Städtebundtheater Biel/Solothurn spielt 1992 das Goldoni-Stück «Diener zweier Herren» mit Hans Schatzmann und Peter Ehrlich.