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«Die Kunst hilft mir zu leben»: Werner Witschi zeigt in Bern neue Arbeiten

Verfasst von Eva Buhrfeind/Bern | |   Ausstellung

Die Berner Galerie Bernhard Schindler zeigt in einer umfangreichen Ausstellung Arbeiten, darunter auch zahlreiche ältere Grafiken des Schweizer Moiré-Eisenplastikers Werner Witschi. Trotz seines hohen Alters ist der Berner Künstler noch immer unermüdlich künstlerisch aktiv.

86 Jahre ist er alt, Werner Witschi aus Bolligen bei Bern, ausgebildeter Kunstmaler und seit 1950 Objektkünstler, und noch kein bisschen müde, wenn es um seine Kunst geht. In einem Alter, in dem sich andere schon seit 20 Jahren zur Ruhe gesetzt haben, ist Werner Witschi ungebrochen gestalterisch tätig. Dazu meint er nur: «Ich bin kein Künstler, der sich für die Kunst opfert. Im Gegenteil, die Kunst hilft mir zu leben.»

Voller Ideen
So sind von dieser in Bern gezeigten, übergrossen Auswahl an Plastiken, die bis in die frühen siebziger Jahre zurückreichen, immerhin 13 in diesem Jahr entstanden, und man glaubt es ihm gerne, wenn er erzählt, dass er noch voll von Ideen sei. Manchmal seien es gar zu viele, und diese Überkreativität könnte auch schon mal zur Belastung werden.
Schier unerschöpflich sind die Variationsmöglichkeiten, um einen Moiré-Effekt und die dadurch hervorgerufene Lichtkinetik zu erzielen. Angefangen mit dem «Horizontal drehenden Windrad» aus den Jahren 1969-1971 über die Moiré-Objekte aus Acrylglas mit farbigen Tupfen, den Kuben, Gitterobjekten, Rotationskörpern bis hin zu ganz neuen, aus langen dünnen Bambusstangen gefertigten Objekten. Dicht wie eine Matte zusammengebunden, zu einem länglichen Oval, leicht gedreht und oben wie unten zusammengefügt, erzeugen sie wie die zu einem rundlichen Körper gebündelten Bambusstangen je nach Standpunkt Lichtwellen oder blitzähnliche Bewegungen. Weisser Bambus, lose gerollt und gebunden vor einem rundgebogenen Spiegel, in der Verzerrung liegt eine raffinierte Täuschung, eine spannende optische Illusion, die den Reiz seiner Moiré-Arbeiten ausmacht.
Von der Eisenplastik herkommend, gelangte Witschi erst mit 60 Jahren durch seine beweglichen Plastiken zu seiner Form der Lichtkinetik, die er «Moirés» nannte. Der Begriff «Moiré» wurde ursprünglich in der Textilkunst für ein altes Verfahren verwendet, in dem die verschiedenen Schichten eines Gewebes in leicht verschobener Lage übereinandergelegt werden und so das wellenartige Schillern im Licht bewirken. Er beschreibt auch Erscheinungsbilder aufgrund von Überlagerungen und Überschneidungen von geometrischen Punkten und Linien, die in der Drucktechnik und im Fernsehen zwar unerwünscht sind, in der Kunst aber bewusst eingesetzt werden. Rundloch-, Rhomben- oder Netzgitterbleche in verschiedenen Lochgrössen und -formen hat Werner Witschi zu plastischen, oftmals geometrischen Körpern von vielfältigster Spielart derart zusammen- und die Bleche gegeneinander gesetzt, dass durch das Überschneiden, dem daraus resultierenden unregelmässigen Verdichten und Auflockem und abhängig vom Blickwinkel des Betrachters sich rhythmische, ständig variierende Muster entwickeln, Spiralen, die sich langsam drehen, Schlieren, Wellen oder Zickzack, das alles sich zu flimmernder oder vibrierender Bewegung steigert und dessen ästhetisierende Faszination in den freihängenden, leicht beweglichen Körpern oder in den verzerrenden Spiegel-Objekten eine subtile Spannung erfährt.
(Bis 12. September 1992)
 

Moiré-Objekte von Werner Witschi 1992 in der Galerie Bernhard Schindler Bern. (Fotos: Eva Buhrfeind)
Moiré-Objekte von Werner Witschi 1992 in der Galerie Bernhard Schindler Bern. (Fotos: Eva Buhrfeind)