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Innere Schönheit und Harmonie: Hibel-Retrospektive 1992 im Kunsthaus Grenchen

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Ausstellung

In einer breitangelegten Retrospektive zeigt das Grenchner Kunsthaus 1992 Arbeiten der amerikanischen Künstlerin Edna Hibel: eine verklärt-heile Lieblichkeit und stilisiert-romantische Harmonie in Bildern, die in einem markanten Kontrast zur Wirklichkeit und zum kontemporären Kunstverständnis stehen.

Not, Elend und Hunger nicht nur in der Dritten Welt, zunehmende Kriminalität, Drogenproblematik, Rassenunruhen, Brutalität und Krieg wohin man schaut, eine Umwelt, Natur, die immer mehr zerstört wird. All dem stellt sich die heute 75jährige amerikanische Künstlerin Edna Hibel, gebürtig aus Boston (Massachusetts), seit mehreren Jahrzehnten mit einem künstlerisch traditionellen, von der Schönheit inspirierten Ausdruck entgegen.
Jeglicher Zeit und der nüchternen Realität entrückt, spricht sie mit romantisierenden Idealen und einer oftmals zur Süsslichkeit stilisierten Künstlichkeit wie ästhetisierten Harmonie die heute mehr denn je verständliche, volkstümliche Wunschvorstellung nach einer unvergänglichen schönen und heilen Welt an, in der «innere Schönheit und Harmonie wichtige, notwendige Bestandteile des Lebens» sind.

Künstlerische Tagträume
Die dem Impressionismus nachempfundenen Landschaften - ob nun der rosarot angehauchte Apfelgarten am Rigi, der stimmige «Frühling im Appenzell» und Genreszenen wie die «Tabakfrauen von Jalta», «Der Schäfer von Britanny» oder der alte Mann mit seinem Esel vor dem «Felsendom in Jerusalem» - sind friedliche Idyllen, künstlerische Tagträume, die mit einer hoffnungsvollen Naivität jegliche Realität von sich weisen, zu spontanen, eher touristischen Impressionen werden.
Auch Edna Hibel ist viel gereist, seit über 20 Jahren in Sachen Weltfrieden unterwegs, vor allem aber auch, um Land und Leute, Sitten und Gebräuche kennenzulernen. Eine Vielzahl Gesichter und Eindrücke hat sie mitgebracht, die sie dann jedoch zu gängigen, ethnisch-folkloristischen Stereotypien charakterisiert, um auf diesem Weg für ein besseres Völkerverständnis zu werben: ein knorriger Mexikaner, ein sinnierender Chinese, ein weissbärtiger Orientale, eine portugiesische Fischerin, griechische Tänzer, eine Afrikanerin mit Kind.
Wie überhaupt Menschen ihr vielfältigstes Sujet darstellen, als glorifizierter Inbegriff von ewiger Jugend und romantischer, zeitloser Schönheit. Junge Männer und Frauen, Kinder oder Mutter-Kind-Idyllen, Figuren aus der Bibel, die Heilige Familie, porzellanige, unberührte Gesichter, vielleicht im Alter von Ehrfurcht und Würde durchzogen, die in ihrer makellosen Glätte oftmals in einem Widerspruch zum locker aufgetragenen, leicht verschwimmenden Umfeld stehen, immer von einem gewissen entrückten Pathos umgeben.

Perfekte Techniken
Dabei beherrscht Edna Hibel, die, nachdem sie schon früh ihre künstlerischen Neigungen entdeckt hatte, in ihrer Heimatstadt an der Museum School of Fine Arts ausgebildet wurde, nicht nur perfekt zahlreiche Techniken in der Öl-, Pastell-, Aquarell- wie Porzellanmalerei, Bildhauerei und Lithographien, die sie alle in der Schweiz drucken lässt, sondern sie bewegt sich auch mühelos durch diverse Stilrichtungen der europäischen Kunstgeschichte: von der Renaissance bis zum Impressionismus mit Anleihen bei der russischen Ikonenmalerei. Sie arbeitet hier mit aufwendigen Blattgoldapplikationen wie fernöstlichen Aspekten, bedient sich der für ihre Aussage wichtigen Elemente, wobei ein zügiger, lebhafter, zuweilen züngelnder Pinselduktus und wohlklingende positive Farben den Grundtonus beherrschen, der Hintergrund, die Kleidung, das Umfeld nur noch diffus-bewegt angedeutet wird. Ganz im Gegensatz zu ihren frühen Arbeiten der dreissiger Jahren.
Dabei erweist sich die Amerikanerin auch dann als eine ausgezeichnete Handwerkerin, wenn es darum geht, dem eher amerikanischen Geschmack entsprechend den Inhalten einen antiquarischen Touch zu verleihen. Ein rissiger Ölfirnis wie bei alten Meistern verstärkt den klassischen Eindruck, Ölbilder auf freskenhaft eingravierten, gefärbten und mit feinem Goldstaub versehenen Mustern und Bildnissen, Farben und Umrissen, auch mit antikem Inhalt, scheinbar in Jahrhunderten ausgewaschen, verblasst.
(Bis 12.September 1992)

Hibel-Retrospektive 1992 im Kunsthaus Grenchen: Edna Hibel und die «Mayakinder».
Hibel-Retrospektive 1992 im Kunsthaus Grenchen: Edna Hibel und die «Mayakinder».