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Vornehmer Humor: Loriot-Werke im Atelier-Theater Bern

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Theater

Mit Loriots «Dramatischen Werken», satirischen Szenarien aus dem Alltag, bietet das Berner Atelier-Theater vergnügliche humoristische Momentaufnahmen. Das Ensemble kann dabei dem ebenso intelligenten wie leisen, beinahe vornehmen Humor grösstenteils gerecht werden.

Holleri, hollera, dideldu, dudödeldö: mein Name ist Erwin Lindemann, ich bin Rentner und 66 Jahre alt... Wer kennt ihn nicht in der deutschsprachigen Hemisphäre, diesen armen alten Kerl mit seinem 500 000-DM-Lottogewinn, oder den sprechenden Hund, ja natürlich auch die Fernsehansage zur fast unausprechlichen englischen Serie, dem lispelnden Zungenbrecher.

Leise und hintergründig
Loriot alias Vicco von Bülow machte die französische Bezeichnung des Pirols, des von Bülowschen Wappentieres, zum Künstlernamen und damit auch zum Markenzeichen für einen für deutschsprachige Verhältnisse ungewöhnlichen, weil intelligenten, treffsicheren Humors, der ohne Zoten oder grobe Lacheffekte seine Mitmenschen, die Spiesser und Kleingeister, die Manirierten und Möchtegerne, die Schüchternen und Verwirrten, die Hilflosen und die Chaoten, die Umständlichen und die Garstigen beschreibt.
Fast wie ein Forscher minutiös und präzise, aber ohne Boshaftigkeit, dafür mit süffisantem Verständnis beobachtet er sie in den absurdesten, meist selbstverschuldeten Situationen, ihre Umständlichkeit und Kleinkariertheit, mit der sie sich und der Tücke des Objektes begegnen, aus denen die komischen Verwechslungen und lächerlichen Missverständnisse enstehen. leise, dafür um so hintergründiger glossiert, hält er uns dabei einen Spiegel des alltäglichen Verhaltens vor, mit Freunden und in der Ehe, in der Freizeit und im Beruf.

Stille Melancholie
Walter Andreas Müller, Heide Stahl, Birgit Steinegger, Jürg Adae, Melchior Morger führen durch rund 18 kürzeren und längeren Kabinettstückchen, den sogenannten «Dramatischen Szenen», hinreichend bekannt vom Fernsehen und auch Radio, und doch trotz ihres unspektakulären Witzes immer wieder erheiternd. Dabei verwandeln sie sich teilweise sogar in Loriot und in seine Fernsehpartnerin Evelyn Hamann, lassen hin und wieder auch ihre eigene Individualität durchblicken, ohne zu sehr in die typischen Albernheiten des deutschsprachigen Humorverständnisses zu verfallen. Sogar Walter Andreas Müller gelingt es grösstenteils, aus seiner typisierten Komikerhaut zu schlüpfen, sich dem feinen Humor Loriots anzupassen. Besonders als Schlusshöhepunkt, in der Rolle des Lottogewinners Erwin Lindemann, lässt er die an sich typische und in der durchwegs gefälligen Inszenierung von Kurt Schwarz meist vermisste, stille Melancholie durchblicken.

Atelier-Theater Bern 1992: Heide Stahl, Birgit Steinegger und Walter Andreas Müller in Loriots Kabinettsstückchen.
Atelier-Theater Bern 1992: Heide Stahl, Birgit Steinegger und Walter Andreas Müller in Loriots Kabinettsstückchen.