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Poetisch und absurd: Tanzspektakel in Bern

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Tanztheater

Zum ersten Mal dabei bei dem inzwischen traditionellen Tanzspektakel in der Berner Dampfzentrale war die Tessiner Formation Compagnia Teatrodanza Tiziana Arnaboldi, die denn auch gleich einen speziellen Abend bot: eine subtil umgesetzte, poetische Geschichte mit absurden Aspekten, viel Theater und Pantomime, jedoch recht wenig Tanz.

Drei Männer, alle mit einer kleinen Geschichte: Franz (Robert Vilim) hat von seinem Urgrossvater, der bei einer seiner täglichen Wanderungen in einen Graben stürzte und für immer verschwand, ein Paar wunderschöne Schuhe geerbt; Fredy (Roger Merguin), der den Geburtstag seiner Mutter vergessen hat und nun abends mit einem Strauss Blumen hingehen will; Gino (Enrico Ferretti), ein begeisterter Hobby-Angler und -Koch, der ein neues Saucenrezept entdeckt hat; eine anfangs apathische, stumme Frau (Tiziana Arnaboldi), die es zum Leben zu erwecken gilt, zu beleben, animieren, motivieren.
Das gelingt den drei ebenso rührigen wie rührenden Knaben auch mit allerlei Faxen und Einfällen, und immer wieder mit ihrem altenglischen Song, als Beschwörungsformel, als Ritual, als Muntermacher, als Frage und Antwort, dem Lied von den «Birds on the wings», bis sie dann den Schabernack zu weit treiben, und die inzwischen recht agile, aber empfindsame Frau zurückschlägt, ihnen in einem recht lebhaften Bewegungstanz zeigt, wo Bartel den Most holt und sie mit Vehemenz und im Kommandoton dorthin befördert, von wo sie gekommen sind: hinter ihre metallenen Bilderrahmen, nun aber die Ansteckblume zwischen den Zähnen und mit abgesackten Hosen.

Literarisch inspiriert
Text und Dramaturgie dieser kleinen, über gewisse Strecken absurden und damit dem Lied angepassten Poesie stammt von Pierre Byland, der sie zusammen mit Tiziana Arnaboldi in Szene gesetzt hat, die Choreografie stammt von Tiziana Arnaboldi selber. Es ist ein Tanztheater, 1987 als Teatrodanza Fania gegründet, das sich mit seinen Produktionen von literarischen Werken inspirieren lässt, sich zwischen Sprechtheater und eindrucksvoller Pantomime bewegt, den Tanz jedoch auf sparsamste Momente reduziert in zart-beschwingter, beinahe abgehobener öder sportlich-akrobatischer Art. Es sind vielmehr ihre Bewegungen selbst, die Gesten und mit- reissende Mimik, die zum Tanz werden.

Subtile Details
Die Spannung und der Reiz liegen besonders in den subtil umgesetzten Details, im stillen Witz. Wenn die Drei sich wie kindliche Clowns der unbekannten Schönen nähern, ihr das Gehen, Klatschen, Lachen beibringen, ihre Neugier und ihr Liebesbedürfnis offenbaren, wie auch die gegenseitige Unsicherheit oder Angst vor der Nähe, sich eben, wenn auch clownesk, sehr menschlich geben. Oder wenn sie ihre Geschichte erzählen, ein jeder in seiner Muttersprache - italienisch, baseldütsch oder tschechisch. Oder wenn der Frau beinahe biblisch ein Apfel zurollt, und noch einer, und noch einer, und noch einer, sie jeden anbeisst und mampft, bis die drei Mitstreiter zuviel Allotria treiben - manchmal auch für den Zuschauer zuviel - und dann aus diesem Paradies tänzerisch impulsiv und fordernd vertrieben werden. Und doch bleibt die Geschichte, in der es sich um die Gefühle und ihre Schwierigkeiten, die Mühen und Missverständnisse, die Annäherung dreht, stets transparent und konsequent, die Absurditäten witzig. Die Typen sind lebendig und menschlich gezeichnet, bilden eine originelle Brücke zwischen Theater und Ausdruckstanz.

Szene aus «The Birds are on the Wings» mit der Compagnia Teatrodanza Tiziana Arnaboldi.
Szene aus «The Birds are on the Wings» mit der Compagnia Teatrodanza Tiziana Arnaboldi.