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Mehr «Kopf» als «Strudel»: Ibsens «Volksfeind» im Atelier-Theater

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Theater

In einer sowohl personell wie zeitlich gerafften Version bringt das Atelier-Theater Henrik Ibsens «Der Volksfeind» auf die Bühne. Vermeintlicher Star dieses Stücks, inszeniert durch Michael Wedekind, ist Hansjörg Felmy.

Es gibt Werke der Theatergeschichte, über die Regisseure aus guten Gründen den Mantel eines gnädigen Schweigens hüllen. Es gibt aber auch von bedeutenden Autoren Werke, die aus einem anderen Grund selbst dem eifrigen Theatergänger so gut wie nie begegnen. Sie passen zwar nicht wegen der zeitlosen Aktualität, wohl aber wegen der heiklen Umsetzung in die Schubladen des öffentlichen Theaterlebens. Zu dieser Spezies gehört zweifellos Ibsens «Der Volksfeind».

Der «Star» Hansjörg Felmy
Man kennt es: Dr. Stockmann, dieser «Strudelkopf», wie ihn Ibsen selbst ein mal genannt hat, legt sich nach Western-Manier allein gegen eine ganze Stadt an - und er ist im Recht. Auf verlassenem Posten kämpft er für die Sanierung des verseuchten Kurbades und gegen die «kompakte Majorität» der Stadt an, die durch die anstehenden Sanierungsmassnahmen einen Gewinnausfall fürchtet. Kein geringerer als Hansjörg Felmy spielt diesen Dr. Stockmann - für meinen Geschmack ist er allerdings zu wenig «Strudel« und zu viel «Kopf». Anfänglich zu verhalten, steigert er sich zwar allmählich ins Geschehen hinein, aber seinen Schlusssatz kaufe ich ihm trotzdem nicht ab: «Wenn man um die Wahrheit kämpft, ist man immer allein. Man muss lernen, allein zu sein.»

Ein glaubwürdiger Partner
Felmy, der vermeintliche Star des Abends, ist aber nicht allein. Da ist einmal Gunther Malzacher, der als Stadtdirektor und Bruder Dr. Stockmanns Felmy, schauspielerisch zumindest, das Wasser reichen kann, da ist aber allen voran Paul-Felix Binz als Verleger Aslaksen, der in seiner distinguiert-schleimigen Art die anpässlicheren Machenschaften am glaubwürdigsten über die Rampe bringt. Nicht, dass die anderen Mitspieler (Veronika Wenger als Katrin, Kurt Langanke als Morten Kül, Hans Joachim Schmiedel als Chefredaktor Hovstadt und Siegfried Duhnke als Reporter) in diesem personell wie zeitlich verknappten Stück nur Garnitur wären, aber es war nach meinem Empfinden doch Binzens Abend. Was zweierlei zeigt: Dass der angekündigte Star nicht notwendigerweise Star des Abends zu sein braucht, und dass Regisseur Michael Wedekind es versteht, sich in der Einflussnahme dezent im Hintergrund zu halten. Sehenswert ist diese «Volksfeind»-Version mit dem funktionellen und vielfach verwendbaren Bühnenbild von Dieter von Arx in jedem Fall.