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Max Frischs «Biografie»: Eben mehr als nur ein Spiel

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Theater

Mit Max Frischs «Biografie», der Möglichkeit eines Menschen, noch einmal sein Leben anders in die Hand nehmen zu können, setzt das Ateliertheater Bern seine Spielsaison auf eindrückliche Weise fort.

Wenn wir nochnmals anfangen könnten, wir alle wüssten, was wir anders machen würden. Wer von uns hat ihn nicht, diesen Wunsch, wer möchte nicht verpatzte Chancen rückgängig machen? So ergeht's denn auch Verhaltensforscher Kürmann, der noch einmal in Form einer Theaterprobe die Möglichkeit erhält, seinem Lebensweg eine andere Richtung zu geben. Aber ist die Biografie eines Menschen zufällig und unveränderlich oder aber Ausdruck einer Zwangsläufigkeit?
Neufassung von 1984
Von diesem Thema immer wieder fasziniert, hat es Max Frisch 1968 erstmals in die Tat umgesetzt, in eine Komödie, wie er es nennt, deren Korsett jedoch der Ernst ist. Im Zuge der Gleichberechtigung hat im Ateliertheater diesmal eine Frau Hand an die Neufassung von 1984 gelegt - und dieses gar nicht zum Nachteil. Überzeugend ist Margrit Saad, eine bekannte Schauspielerin deutsch-libanesischer Abstammung, als Regisseurin mit Frischs prägnanter, doch auch bildkräftiger Sprache umgegangen. Sensibel interpretiert sie Frisch als das, was er ist: ein scharf sinniger, nüchterner Analytiker, immer mit einem Schuss Humor behaftet.


Sachlich-modernes Bühnenbild
Dieter von Arx hat mit seinem überaus passenden, sachlich-modernen Interieur am gleichen Strang gezogen. Aber nicht nur Margrit Saad, auch das gesamte Ensemble setzt dem Zuschauer einen Frisch vor, der eines Frisch' würdig ist. Hervorzuheben ist Fred Kretzer als Verhaltensforscher Kürmann. Eine grossartige schauspielerische Leistung, wie er die Person charakterlich treffend interpretiert: Am Ende seines Lebens, reif, erfahren und doch resignierend kann er die einmalige Chance, sich zu verändern, nicht mehr nutzen; so gross der Wunsch auch ist, es fehlen ihm Kraft und Entschlossenheit.
Seine Gegen- und Mitspielerin ist Kathrin Ackermann als Antoinette Stein. Kühl, blond und schön, am Anfang noch etwas undifferenziert, findet sie sich schnell in ihre Doppelrolle: Antoinette zu sein und sie nur zu spielen. Ungemein flexibel zeigt sie sich in immer neuen Proben, den veränderten Situationen sich anzupassen, auch wenn ihr der Überdruss zwischendurch zum Hals heraus hängt. Lobenswerte Anerkennung verdient Ludwig Schütze als Spielleiter: genervt-ironisch bis motiviert-hilfegebend führt er Regie derart überzeugend, dass man bald nicht mehr weiss, ob er nur Regisseur in dieser Probe oder der gesamten Aufführung ist. Wie ein Chamäleon wechselt Erwin Leimbacher, als Assistent, seine Farben vom Bühnenarbeiter über Arzt bis Stahel, und gibt dabei jeder Person ihr eigenes Gepräge. Ebenso Brigitte Bayer, die als zweiter hilfreicher Geist den Spielleiter assistiert.

Ausgesprochen erfreulich ist die Tatsache, dass unter der neuen Leitung von Michael Wedekind erneut ein hervorragend insziniertes und gespieltes Stück vor einem dementsprechend begeisteren Publikum ankam.   

In Bern zu sehen in Frischs «Biografie»: von links Ludwig Schütze, Kathrin Ackermann, Britta Bayer, Erwin Leimbacher und Fred Kretzer.
In Bern zu sehen in Frischs «Biografie»: von links Ludwig Schütze, Kathrin Ackermann, Britta Bayer, Erwin Leimbacher und Fred Kretzer.