Home | News | Suchen | News-Archiv | Kategorien | Kontakt

In den Artikeln und im Archiv suchen

Ein fruchtbares Geben und Nehmen: Ausstellung über eine Künstlerfreundschaft im Kunstmuseum Solothurn

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Ausstellung

Malerfreunde - Künstlerfreunde, das kann über eine private Verbundenheit hinaus auch ein fruchtbares Geben und Nehmen auf künstlerischer Basis sein. Mit der Ausstellung der Maler Arnold Brügger, Otto Morach und Fritz Baumann will das Kunstmuseum Solothurn weniger das Schaffen jedes einzelnen aufzeigen als vielmehr die gegenseitigen künstlerischen Wechselwirkungen und Impulse belegen.

Man kann die drei Künstler Otto Morach, Fritz Baumann und Arnold Brügger, die sich zu ihrer Zeit mit den revolutionären Strömungen des Expressionismus und Kubismus auseinandersetzten, sicher mit zu den bedeutendsten Vertretern der helvetischen Malerei in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts zählen. Drei Künstler auch, die mit ihrem Wirken ohne Zweifel die weitere Entwicklung in der Schweizer Malerei mitbeeinflussten, speziell Fritz Baumann und Otto Morach, die lange Jahre an den Kunstgewerbeschulen von Basel und Zürich unterrichteten, so also der nächsten Künstlergeneration auf den Weg halfen.

Ein Buch und 130 Bilder
Trotz ihrer eher unterschiedlichen Herkunft waren sie nicht nur freundschaftlich miteinander verbunden, sondern darüber hinaus auch empfänglich für gegenseitige Impulse, seien sie nun inhaltlicher, technischer oder auch stilistischer Art. Man reiste gemeinsam, wohnte zeitweilig zusammen, entschloss sich zu gemeinsamen Studien- und Arbeitsaufenthalten. So will denn die von Konservator André Kamber gross angelegte, sich konsequent aufbauende Ausstellung im Kunstmuseum – es wurden insgesamt 130 Werke zusammengetragen - nicht den einzelnen Künstler ins Zentrum rücken, sondern ihr gemeinsames Schaffen, den Einfluss und die Querbezüge, das Miteinander sichtbar machen.
Ausgangspunkt dieser Ausstellung ist eine sowohl textlich wie bildlich ansprechende Publikation zweier Nicht-Kunsthistoriker: Der Morach-Neffe Hugo Stüdeli und Stephan Flury haben in einem qualitativ hochstehenden Band das Thema Brügger-Morach-Baumann, das in dieser Ausführlichkeit noch nie behandelt wurde, aufgearbeitet.

Bekanntschaft in Bern
Der 1887 geborene Solothurner Otto Morach und der 1888 in Meiringen geborene Arnold Brügger lernten sich 1908 an der Berner Gewerbeschule kennen. Brügger hatte seine Lehrzeit als Lithograph beendet, Morach seine mathematisch-wissenschaftlichen Studien mit dem Sekundarlehrerpatent abgeschlossen; beide standen am Anfang ihrer künstlerischen Laufbahn. Otto Morach hat Fritz Baumann vermutlich 1910 bei seinem ersten Paris- Aufenthalt getroffen, durch ihn entstand auch die Bekanntschaft mit Arnold Brügger.
Die wohl wichtigste gemeinsame Zeit ist der Winter 1912/13, den die drei Künstler in Paris miteinander verbrachten. Bereits damals entstanden diverse Portraits und Selbstportraits, da malte und zeichnete jeder jeden. Gemeinsame Aufenthalte folgten, Morach mit Baumann 1913 in der Nähe von Sissach im Baselbiet und im Sommer mit Brügger im Weiler Zaun ob Meiringen, eine Gegend wo Morach und Brügger immer wieder zusammenkamen. Hier konnten sie nicht nur das in Paris gelernte umsetzen, hier fanden sie auch ihre gegenseitige Inspirationen. Bergbäche, Wasserfälle, hügelige Landschaften sind die bevorzugten Themen, die sich manchmal erstaunlich ähneln, dann wieder kubistisch variieren, um sich in einer kristallartigen Auflösung des Motivs fast zu berühren.
Fritz Baumann bleibt hier ein wenig randständig. Er hat sich weniger mit Landschaften, mehr mit Menschen beschäftigt, beliebteste Sujets waren seine Frau und sein Kind.

Baumann und Morach
Auch wenn Baumann vielleicht als Pionier und Anführer zu sehen ist, er ist immerhin der älteste, so laufen doch bei Morach alle Fäden zusammen, denn so wie von ihm Ideen ausgingen, so nahm er auch Anregungen bereitwillig auf. Ein Faktum, dem diese Ausstellung in ihrer Konzeption Rechnung trägt, stellt sie doch anfangs alle drei Maler zusammen, um dann anschliessend mit den Berührungpunkten Baumann-Morach und Morach-Brügger fortzufahren.
In den Jahren 1912 bis 1914 konzentrierte sich Fritz Baumann in seinem Schaffen hauptsächlich auf Holzschnitte, schwarzweisse wie auch farbige. Ein komplexes Werk, das in seiner Klarheit und Einfachheit des expressionistischen Inhaltes Aufmerksamkeit erregte und des öfteren in der gleichnamigen Zeitschrift der Künstlervereinigung «Der Sturm» abgedruckt wurde.
Ohne die freundschaftliche Beziehung Baumanns zu Morach wäre dessen kleinere Serie schwarzweisser Holzschnitte sicher nicht entstanden, in denen sich einerseits der Einfluss und die Anleitung Baumanns bemerkbar macht, andererseits Morach sich intensiv mit den Arbeiten Baumanns auseinandersetzt, sich ihm, ohne zu kopieren, nähert als Ausdruck der inneren Gemeinsamkeit. Dafür kann man die «kubistische» Formengliederung in Baumanns Zeichnungen aus den Jahren 1914 bis 1918 mit Morachs Arbeitsweise in Verbindung setzen.
Otto Morach und Arnold Brügger ist ein weiteres Kapitel gewidmet. Die wiederholten Zusammenkünfte bis 1920, man traf sich oft in der Nähe von Meiringen, wo sich Morach besonders wohl fühlte, führten die beiden Künstler zu einem gemeinsamen Arbeits- Themen-Stil-Kreis. Morachs Beschäftigung als Städter mit dem Land, speziell Bergseen, folgt Brügger, der Bergmensch (sein Grossvater, der Bergführer war, machte ihn früh mit der Natur vertraut), ebenfalls mit Stadt- und Nachtszenen, Menschen- und Zirkusbildern. Ganz aus der Reihe tanzt er sogar mit einem für ihn eher untypischen Fabrikbild, ein für Morach wiederum charakteristisches Genre. Diese Gegenüberstellung zeigt trotz der Gemeinsamkeiten besonders die Feinheiten des eigenständigen Ausdrucks beider Maler: Morach eher in seiner mathematisch konstruierenden Art, Brügger ist stets eine Spur naturhafter, lebendiger.

«Knotenpunkt» Baumann
Ein Extraraum, sozusagen als Knotenpunkt, ist Fritz Baumann gewidmet. Der 1886 in Basel geborene und 1941 freiwillig aus dem Leben geschiedene Künstler - er absolvierte zuerst eine Malerlehre, bevor er die Kunstgewerbeschule besuchte - ist wenig bekannt. Seit 1928 hat er nicht mehr an Ausstellungen teilgenommen, Mitte der zwanziger Jahre hat er sogar in einer depressiven Phase einen Grossteil seines Werkes selber zerstört.
Dabei erweist er sich hier als aufnahmefähiger und vielseitiger Künstler, der viele Techniken und Stilrichtungen sicher beherrschte. Neben Expressionistischem und Kubistischem, das er bis zur Abstraktion führt, finden sich auch native Darstellungen in der Art von Henri Rousseau, poetische und gesellschaftliche Themen. Und als überragender Mittelpunkt der nach vielen Studien entworfene, von seiner Frau  gestickte dreiteilige Paravent. (Bis 31. Januar 1993)

Kunstmuseum Solothurn 1992: Otto Morach, Fabrikbau, 1916 und Arnold Brügger, Industrie, um 1916.
Kunstmuseum Solothurn 1992: Otto Morach, Fabrikbau, 1916 und Arnold Brügger, Industrie, um 1916.