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Mehrsprachigkeit als kultureller Reichtum: Charles Linsmayer im Palais Besenval in Solothurn

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Literatur

Charles Linsmayer präsentiert «4x1=1++++» im Palais Besenval in Solothurn - eine Fundgrube der Mehrsprachigkeit zum 25-Jahr-Jubiläum der Solothurner Literaturtage.

Der erste Blick ist erschlagend, doch schon der zweite entführt die neugierigen Betrachter in eine reiche Literaturlandschaft am Beispiel von Übersetzungen in die vier Landessprachen. Bücher, Text- und Bildtafeln, Stelen, Vitrinen und immer wieder Bücher - eine breite Palette bekannter und weniger bekannter Schweizer Literatur, hier jedoch in den übersetzten Versionen. Dazu als einer jener Höhepunkte literarischer Übersetzungen, mit denen das Buch der Bücher jedermann verständlich gemacht wurde: Zwinglis frühe Bibel-Übersetzung von 1597 in eine volksnahe Sprache. Und natürlich auch die französischsprachige Genfer Olivetan-Bibel von 1535. Zwei besondere Original-Prachtsexemplare und damit eindrücklicher Auftakt dieser Reise ins Land der Übersetzungen. Denn die Schweiz mit ihren vier Sprachregionen ist auch literarisch ein vielfältiges Land, das gerade durch die Literatur Brücken baut und kulturelle Grenzen überwindet.
Diese Ausstellung dokumentiert mit insgesamt 1200 Exponaten und über 50 Beispielen eindrücklich, wie Autoren in den anderen Sprachen erscheinen und sich behaupten. So, wie es ja auch seit Jahren um die Solothurner Literaturtage bestellt ist, womit diese Fundgrube der Mehrsprachigkeit einen würdigen Rahmen zum 25-Jahr-Jubiläum der Literaturtage abgibt.

Mehrsprachigkeit als nationaler Wert
«4x1=1++++» nennt Charles Linsmayer, Literaturgeschichtler, Redaktor und Herausgeber seine Ausstellung, um die besonderen Qualitäten der Mehrsprachigkeit zu versinnbildlichen, die gerade in der Literatur als kulturelle Bereicherung gelebt wird. Die Ausstellung vermittelt einmal Historisches, stellt zweisprachige Autoren wie Albrecht von Haller vor, berichtet von den ersten, frühen Übersetzungen Pestalozzis, Rousseaus oder Gotthelfs, dessen Gesamtwerk derzeit vom pensionierten Solothurner Gymnasiallehrer Raymond Lauener ins Französische übersetzt wird. Sie streift das Jahr 1848, als sich die Schweiz anschickte, die Mehrsprachigkeit als nationalen Wert zu akzeptieren. Man lernt verschiedene Verlage kennen, die bewusst gesamtschweizerische Editionen in den vier Landessprachen pflegen. Grundsätzliches zur Übersetzertätigkeit wie zur Komplexität des Übersetzens wird dokumentiert, auf Künstler als Buchillustratoren oder Übersetzungskünstler wie Gilbert Musy wird hingewiesen. Zur Mehrsprachigkeit der Schweiz gehören aber auch jene hier lebenden Schriftsteller anderer Nationen, deren (Schreib-)Kulturen gesamtschweizerisch integriert werden.
Den Kern der Ausstellung, die Linsmayer detailfreudig und kenntnisreich nach der Genfer Buchmesse jetzt im Palais Besenval präsentiert, bildet die aktuelle Literatur, mit der er anschaulich die mannigfaltigen Rezeptionen der CH-Literatur in den anderen Landessprachen inszeniert: Wie Litfasssäulen bieten die Stelen einen Originaltext und eine entsprechende Übersetzung, dazu eine journalistische Reaktion. In den kleinen Vitrinen werden mit Dokumenten, Korrespondenzen, kleinen Objekten, mit biographischen Erinnerungen, Randnotizen (vieles wurde von den Schriftstellern ideenreich beigesteuert) die Autoren und das vorgestellte Werk anekdotisch bebildert. Da bezeugen Kinderzeichnungen und ein paar selbstgestrickte Socken für eine Buchfigur die Beliebtheit von Lukas Hartmann als Kinderbuchautor in Lettland.

Blutdruckmessgerät, Grabstein, Strick
Ein Blutdruckmessgerät gehört unweigerlich zu Walter Vogt, Peter Bichsel wartet mit einem Foto vom Grabstein seiner Buchfigur Cherubin Hammer auf. Bei Thomas Hürlimanns «Der Gesandte» darf in der Botschafter-Ahnengalerie Thomas Borer nicht fehlen, bei Milena Moser verweisen Puppenstuben-Putzutensilien auf ihre «Putzfraueninsel». Und bei Jean Ziegler provoziert jener Strick, den ihm ein Rheintaler Metzger mit dem Tipp zuschickte, sich doch aufzuknüpfen.
Bis 1. Juni 2003, geöffnet: Mi 14-18 Uhr, Do 14-21 Uhr, Sa/So 10-18 Uhr; Führungen So 15 Uhr. Während der Literaturtage: durchgehend 10-21 Uhr; Führungen 29. Mai 2003, 14.30 Uhr, 20./31. Mai 19.15 Uhr, 1. Juni 9 Uhr.

25-Jahr-Jubiläum Solothurner Literaturtage: Charles Linsmayer 2003 im Palais Besenval Solothurn.
25-Jahr-Jubiläum Solothurner Literaturtage: Charles Linsmayer 2003 im Palais Besenval Solothurn.