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Werkschau als Freundschaftsprojekt: Jakob Bigler und Lucio Zanello in der Galerie Artesol Solothurn

|   Vernissagerede

Vernissagerede am 15. Februar 2019 anlässlich der Ausstellung Jakob Bigler und Lucio Zanello vom 15.2. – 2. März 2019 in der Galerie Artesol Solothurn.

Liebe Vernissagebesucherinnen und Besucher

Jakob Bigler aus Mümiswil ist eine Art Erzähler, ein wenig auch ein Fabulierer und ein Tausendsassa unter den Kunstschaffenden, in der Kunst ein «Houderidou», der sich nicht in ein Schema drängen lässt, der vor keinen formalen und medialen Experimenten, vor keiner kreativen Komplexität Halt macht. Sie sind Motor und Motivation, sie sind das Credo für sein künstlerisches Schaffen.

«Es muss immer etwas gehen», sagt er und ist unermüdlich und mit jugendfrischer Chuzpe auf der Suche nach Neuem und der Freiheit des bildnerischen Wandels, wenn es gilt, mit verschiedensten Techniken und komplexen Mix-Media-Gestaltungen Bildideen einfallsreich zu vereinen.
Jakob Biglers Bildwelten entspringen einer unerschöpflichen Kreativität und einer unmittelbaren Spontaneität. Sie sind «eloquenter» Ausdruck seines reichen Kunstschaffens meist in raffinierter Kombination verschiedener Techniken, als da zu nennen wären: die Lithografie, Siebdruck, Algraphie, Zinkografie, Glasplattendruck, Monotypie, Fotografie, Malerei, Zeichnung, Computergeneriertes und diverse Transfertechniken.
Es ist die experimentelle Kunst, die ihn fasziniert, ist er doch ein Bilderforscher, ein Bilder-«Tüftler» und ein Bild-Erzähler. Wie auch die künstlerischen Versuche, die Pigmentfarben, die Zusätze selber herzustellen und zu mischen, ein wesentlicher Bestandteil seiner Arbeit sind.
Ja, Jakob Bigler macht sich die Kunst, das Mediale und das Formale zu eigen, ob nun figurativ verwoben oder abstrakt-belebt, fotografisch dokumentiert oder als skizzierte Motiv – stets als raffiniert sich gebendes und vielschichtiges Ereignis. Da greifen Informelles und Formelles ineinander, in gestisch bewegte Farbspuren hineinwachsende Blätter deuten allegorische Momente an, Abstraktes formt sich, Figuratives abstrahiert sich, Architektonisches wirkt als Metapher, Florales lässt sich ausmachen. Mit lithografischen und malerischen Elementen zaubert er poetische, effektvoll kolorierte Momente, verknüpft Imagination und handwerklich Raffiniertes.

Aufwendig wie erfinderisch im medialen Mix verwandelt er figurative Bildsequenzen aus Lithografie und Transferdruck zu anekdotischen Geschehen: Figürliches taucht auf, ein Ziffernblatt mahnt die Menschen, ein Baum und ein Oldtimer wecken Erinnerungen.
Je komplexer und intensiver der Bildwerdungsprozess, um so lustvoller lebt er diesen gestalterischen Prozess aus, wenn es gilt, spontane Begebenheiten, Eindrücke, Gesehenes und Gehörtes, philosophische Eingebungen oder einfach die fabulierende Lust an der Bildgestaltung an sich beziehungsreich zu bebildern.
Die von ihm selbst fotografierten, am PC bearbeiteten und auf Spezialfolie geplotteten Solothurner Szenen verflechten sich auf mit Pigmentfarben untermalten Leichtstoffplatten und in der von ihm eigens entwickelten Transfertechnik zu vieldeutigen Begebenheiten. Während sich im Öldruck und aufwendig mit Techniken wie Malerei, Siebdruck, Handtransferdruck, am Computer zusammengestellte, hineinkopierte figurative Bildsequenzen zu spannungsvollen Impressionen verdichten.
Auch der Siebdruck ist hier nicht einfach Siebdruck, sondern stets komplex und kunstfertig geschichtet. Und Ölmalerei auf Leinwand ist bei ihm nicht einfach Ölmalerei auf Leinwand. Hier arbeitet Jakob Bigler mit Elementen des Siebdrucks, aufwendig der Weg auch hier zum Bild, jede Farbe wird manuell mit dem Sieb auf der Leinwand ausgewaschen, bis er eine grosszügige malerisch-informelle Geste ausleben kann – ein wenig Naturstimmung und viel Raffinesse.


Lucio Zanello / Obergösgen

Auch Lucio Zanello ist ein Erzähler, wenn er wie ein Poet von einer Ecke aus anfängt, das weisse Blatt Papier mit seinen persönlichen zeichenhaften Bildfragmenten und -zeichnen zu füllen – bis seine szenischen teils gleichnishaften Geschehen den Bildraum zu Lebensräumen erweitern. Lebensräume, in denen alles zusammenhängt, eins zum anderen führt und Lebensgeschichten immer wieder neu erzählt werden und «zwischen den Zeilen» auch das persönliche Universum und die Erfahrungen des Künstlers Zanello wirken.
Seine Bildsprache, seine formalen Grundelemente, sind einfach, beinahe archetypisch wie das Haus als innere Behausung und schützende Heimat, die Feder, das Blatt, der Mensch als schlichte Silhouette, das Boot, der Baum, die Schrift, Bergkulissen, und fügen sich doch zu komplexen Bildfolgen, in denen sich sein tragendes Thema «Raum, Lebensraum und Schrift» immer neu anordnet als ganzheitliches Empfinden, als Glauben und Denken in den Vernetzungen des Seins im Kreislauf des Lebens.

Eine elementare gestalterische und erzählerische Rolle spielt die Schrift, die Lucio Zanello «Bauchschrift» nennt, da sie nicht konkret, nicht erkennbar ist und doch etwas erzählt – von der Magie des Nicht-Lesbaren und dem Geheimnis des Wortes, des Gesagten und des Nicht-Gesagten. Die Schrift ist mehr als wichtig für Lucio Zanello, der Rhythmus der Sätze, das Fremdartige der Zeilen, die assoziative Spannung des informellen Moments als tragender Hintergrund der Motive und Zeichen. Sie ist wichtige formale Intervention und Metapher zugleich – wir müssen sie einfach nur für uns enträtseln. Es sind vor allem 100-jährige Briefe und Postkarten, die die Grundlage oder Anregung für seine bildgestalterischen Herausforderungen bilden und die Phantasie und die Assoziationskraft des Betrachters animieren.

Dabei, Lucio Zanello ist ein genauer «Arbeiter», ein Tüftler auch er, der immer wieder die künstlerische Herausforderung sucht. Und ein sensibler Zeichner ist er, der gerne mit den Techniken und formalen Mitteln experimentiert, der mit Acrylglas als Grundelement, der Hinter-Plexiglasmalerei, mit Acryl, Aquarell, Collage, Goldelementen, mit selbstgeschnittenen Stempeln und geheimnisvollen bühnenbildartigen Objekten neue Bildideen und Bildfolgen sucht, um seinem künstlerischen Credo gerecht zu werden. Stets spürt man in seinen Bildern die Auseinandersetzung mit seiner Thematik, deren innere Zusammenhänge und Konflikte, wenn er um die Form, mit den Bildern ringt, Lösungen sucht, wenn er unterschiedlichste Gestaltungsmittel und verschiedene Techniken des Farbauftrags vereint. Diese Farben, sie sind eher zurückhaltend, aber auch feinstimmig nuanciert, untermalen die mannigfaltigen Stimmungen und sinnbildhaften Momente.

Das grundlegende Handwerk hat Lucio Zanello autodidaktisch mit gegenständlicher und figürlicher Malerei, Landschaften, Stillleben, Figuren gelernt. Doch irgendwann war das nicht genug und er begann, seine eigenen Bildideen zu entwickeln, sich die Kunst zu eigen zu machen als poetische Bildgeschichten. Handwerklich geblieben ist die Genauigkeit, die Akkuratesse der Komposition und aus seinem Brotberuf als Konstruktions- und Designzeichner das Grafische, Präzise, eine austarierte Ästhetik.

«Ich will ich sein», sagt er und versteht seine künstlerische Welt als Teil seines Ichs, das Ich als Teil seiner Kunst.
    
Es ist diese Lust am Experimentieren und Tüfteln, die kreative Intensität der Bildsuche und -gestaltung, das beide Künstler verbindet, die bereits vor rund 30 Jahren erstmals zusammen eine Ausstellung in Olten in der damaligen Galerie Zeta bestritten haben, für die sie bereits damals zwei Bilder gemeinsam schufen.

2015 begegneten sich die beiden wieder, per Zufall in einem Warteraum des Bürgerspitals Solothurn. Und sie beschlossen spontan: «Wir machen wieder etwas zusammen!» und liessen ihre Künstlerfreundschaft wieder aufleben: «Etwas Spezielles, Grosses», sollte es sein. Daraus entstanden die beiden hier vorgestellten 1,5 x 1 Meter grossen Bilder aus Malerei auf Leinwand und Siebdruck.

Viele Gespräche gab es, Skizzen wurden erstellt, Ideen ausgetauscht und es wurde auch getüftelt, vieles entstand spontan. Beide haben auf der derselben Leinwand in Jakob Biglers Atelier am farbigen Hintergrund gemalt, steuerten ihre zeichnerischen Elemente für den aufwendigen, vielschichtigen Siebdruck bei, den Jakob Bigler ausgefeilt umgesetzt hat, teils auch mit der Unterstützung von Lucio Zanello. «Lebensraum» haben beide diese Werke benannt, Lebensräume, die wahrhaftig zwei künstlerische Universen vereinen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

    Eva Buhrfeind, 15. Februar 2019 anlässlich
    der Vernissage der Ausstellung in der
    Galerie Artesol, 15. Februar bis 2. März 2019

 

Jakob Bigler (zweiter von rechts) und Lucio Zanello (zweiter von limks) 2019 in der Galerie Artesol Solothurn. (Fotos: Eva Buhrfeind)
Jakob Bigler (zweiter von rechts) und Lucio Zanello (zweiter von limks) 2019 in der Galerie Artesol Solothurn. (Fotos: Eva Buhrfeind)
Gemeinschaftswerk von Jakob Bigler und Lucio Zanello 2019 in der Galerie Artesol Solothurn. (Foto: Eva Buhrfeind)
Gemeinschaftswerk von Jakob Bigler und Lucio Zanello 2019 in der Galerie Artesol Solothurn. (Foto: Eva Buhrfeind)