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«45x farbig» und noch viel mehr: Ausstellung der SGBK Bern/Romandie im Schlösschen Vorder-Bleichenberg in Biberist

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Vernissagerede

Vernissagerede am 10. März 2019 zur Ausstellung der SGBK Bern/Romandie im Schlösschen Vorder-Bleichenberg in Biberist.

Meine Damen und Herren

Ich freue mich, dass Sie da sind und mit uns in dieses farbige, vielgestaltige und schöpferisch reiche Universum eintauchen wollen.

«Farbig» – das klingt erst einmal spannend und bunt wie vielversprechend.
Denn was wäre das Leben, das Sehen und Empfinden, was wäre die Kunst ohne Farbe? Unfarbig, einseitig, langweilig.
Da ist es doch schlüssig, «farbig» einmal in einer Ausstellung der SGBK Bern/Romandie zu thematisieren. Denn wenn man den Begriff «farbig» nachschlägt, sei es als Adverb, Adjektiv oder das Substantiv «Farbigkeit», erhält man eine Fülle an Vorschlägen und Synonymen: anschaulich, bilderreich, bildhaft, plastisch, ausdrucksstark und ausdrucksvoll, farbenfreudig, farbenreich – und eben noch viel mehr.
Schnell zeigt sich und insbesondere in dieser Ausstellung: «farbig» ist ein weites Feld. Denn dieses Thema bietet ein vielversprechendes Programm individueller Begrifflichkeiten, bildnerischer wie gestalterischer Möglichkeiten, Fragestellungen und Absichten: Was heisst farbig, was ist farbig in der Kunst und wie kann ich als Künstlerin mit «farbig» eine Geschichte erzählen, meine, gesellschaftliche Intentionen ausdrücken?
Mit welchen Mitteln und Medien ist die Farbe interpretierbar, wie weit muss ich mit den Farben gehen, um gesehen und verstanden zu werden? Und gelten Schwarz und Weiss noch als Farbe, wenn auch als unbunte, und gibt der schlichte Onyx nicht einfach nur eine leise Farbe der Natur vor? Als Kontrapunkt sozusagen zu farbopulenten Stimmungen und vielschichtigen und -gestaltigen Imaginationen.

Wir erleben, wenn wir durch diese Räumlichkeiten gehen, ein Kaleidoskop im wahrsten Sinne des griechischen Begriffs: „schöne Formen sehen.“
Aber, so unterschiedlich die Inhalte und Formate auch sind, alle teilen sie eine wesentliche Erkenntnis: Kunst ist Neugier, Fantasie und Beständigkeit, Sehen und Reflexion, ist freudvoll oder besinnlich, laut oder leise, sinnlich oder elementar.
«Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit», sagte einst Friedrich von Schiller in seinen Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen. Ja, Kunst ist immer ein Ausdruck von Freiheit und Zeichen einer Zeit, Kunst reagiert auf eigene Bilderfahrungen und die Seherwartung der anderen. Kunst ist Erfahrung und Wahrnehmung, farbig oder schwarzweiss, schön oder widerständisch. Kunst erzählt, verbindet oder steht autonom für sich als reines Ausdrucksmittel von Farbe und Form.
Die Bildsprachen, die Möglichkeiten der formalen Mittel scheinen unerschöpflich, manchmal kryptisch, oft persönlich oder universell, schöpferisch oder radikal. Kunst schafft Freiräume und Lebensräume, setzt Zeichen, Kunst ist immer ein Ausdruck von Freiheit.
Und in dieser Ausstellung wird diese Freiheit als allumfassende Vielzahl farbiger Universen anschaulich interpretiert und dargestellt: vielfältig und vielschichtig, lautmalerisch oder feinstimmig, figurativ über abstrahiert bis rein malerisch, illustrativ, installativ, anekdotisch bis allegorisch, melancholisch oder hintersinnig und immer in allen Nuancen, Kolorationen, Kontrapunkten und Harmonien.
Die Farbe ist das Sprachmittel, um persönliche Sichtweisen der Dinge zu formulieren und frei zu bleiben in der Wahrnehmung. Denn das Farbige steht auch für ausdrucksstark und damit für kreative Möglichkeiten, das Globale und das Private als universelle Makro- und Mikrokosmen greifbar zu machen.
«Farbe ist ein Fest, ist auch Illusion und Trauer, Farbe ist Leben, ist Empfindung», sagt die teilnehmende Annemarie Flückiger und alle Künstlerinnen offenbaren, Farben sind Kraftquellen bildnerischer Freiheiten. Farben bleiben als Erinnerung, zeigen Natur oder stehen für sich als reines Ausdrucksmittel von Lebensräumen und für die Unabhängigkeit, mit den Farben das eigene Empfinden, Sehen, Erleben, Erinnern widerzuspiegeln, innere und äussere Welten oder einfach nur malerische Momente und Klänge zu versinnbildlichen, Stimmungen und dahinter liegende Geschichten und Phantasiewelten zu bebildern.
Doch, wie wird man 43 Künstlerinnen der SGBK Bern/Romandie und zwei Gastkünstlerinnen aus St. Gallen und Arisdorf mit ihren mehrheitlich sehr individuellen Werken und plastischen Arbeiten, den unterschiedlichen Standpunkten, Ausdrucksformen, den unterschiedlichsten Farbigkeiten und Formaten gemeinschaftlich gerecht, ohne eben als Überfülle zu erschöpfen? Mit Fingerspitzengefühl, Mut zur weissen Fläche und der Freiheit zur Bildhaftigkeit einer abwechslungsreichen Hängung, sei es in Gegenüberstellungen, unkonventionellen Kontrasten oder dialogischen Spannungsbögen. Und es wurde nicht die Anzahl Werke beschränkt, sondern jeder Künstlerin ein festumrissener Platz (mit 2 Laufmetern) zugestanden.

Die Palette der Inhalte und Bildsprachen ist ebenso mannigfaltig wie die gestalterische Umsetzung: Ein farbenfroher Gipsobjekte-Teppich lässt das frühlingshafte Flower-Power aufleben, filigran gewebte Tapisserien in der traditionellen Aubusson-Technik sind zu bestaunen, Comicstripartigs, Collagen. Lebens- und Erinnerungsspuren finden sich als Bildorte, Farben, Gold schichten sich zu geometrischen Ordnungen, im gestisch bewegten Informel wirken sublime Energien.
Das Sinnbildliche ist kreative Kraft, die Metapher wie das Allegorische verweben persönliche und universelle Situationen, pflanzliche Momente verführen zum Drucken als Abenteuer. Die Wahrnehmung der Dinge ist in Farben gekleidet, diese dürfen assoziativ-stimmig fliessen oder werden als Rezeption der barocken Zeit des Schlösschen zu global-stimmigen Farbpaletten verdichtet. Aus leuchtenden Farblandschaften wachsen Himmel und Erde, ein ornamentales Mosaik fügt sich aus Farbklängen und fremdartigen Mustern. Landschaftliches weitet sich zum Blick in stimmungsvolle Fernen, beschreibt einen Seelenort, verliert sich als lyrischer Augenblick oder verortet zeichenhaft Heimat und Fremde. Selbst das Stillleben wird aus der Fotografie heraus im Pigmentdruck als Bildidee verfremdet.
Man trifft auf sympathische Kühe, Menschen in tagebuchartigen Sequenzen,  städtische Szenen in leuchtenden Farben. Ein schön porträtierter Hund trägt einen pompösen grünen Hut. Doppelbödige Geschichten verwandeln sich zu eigenwilligen oder mehrdeutigen Installationen, zu objekthaften Poesien und assoziationsreichen Figurationen.
Überhaupt schafft die Natur wundersame Vorgaben, und die Künstlerinnen wissen diese Werte zu schätzen: malerisch die Blumenpracht, zeitlos die Natura morte getrockneter Blüten, leuchtkräftiger Sonnenblumen – Farben als Leben wie die präzise, übergross gemalten Käfer als Wirkung des Eindrücklichen im Unscheinbaren. Aber auch das Symbolische und Sinnbildliche stellt sich den künstlerischen Reflexionen, das Frausein als beseelte oder sinnliche Vitalität, schicksalhaft in symbolischer Vernetzung, tänzerisch in den Farben der Sonne oder als strahlend fröhliche nativ-taffe Wesen.
Ein Bild ist immer auch eine erlebte Erinnerung, ein bleibender Eindruck, der im künstlerischen Moment allgemeingültig wird. Ein Aufenthalt in China findet sich in filmisch wirkenden Momentaufnahmen wieder. Südliche Landschaften, deren architektonische Strukturen, Menschen, Farben finden ihren Widerhall in einer farbdezenten Wandinstallation aus kleinen keramischen Objekten; Wüstenbilder entstehen allein aus dem malerischen Erinnern an reale Impressionen.
Es können an dieser Stelle die Künstlerinnen nicht namentlich aufgeführt werden, es würde den Rahmen sprengen. Aber, ob 34 und 94 Jahre alt – Greti Arni ist leider vergangenes Jahr verstorben – es ist keine Frage des Alters, sich der Farbe zu stellen.
«Farbig» ist eben mehr als nur ein programmatischer Anspruch, ein Ausstellungskonzept; es eröffnet einen Kosmos unterschiedlichster Sichtweisen und künstlerisch ausgelebte Gedankenwelten als ein abwechslungsreiches Kaleidoskop: farbig, spannend, voller Überraschungen und bleibender Eindrücke.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und viele Erlebnisse beim «Drehen und Wenden» dieses Kaleidoskops von Raum zu Raum, von Künstlerin zu Künstlerin.

Eva Buhrfeind
Vernissage vom 10. März 2019
im Schlösschen Vorder-Bleichenberg

 

Blick in die Ausstellung der SGBK Bern/Romandie 2019 im Schlösschen Vorder-Bleichenberg in Biberist. (Foto: Eva Buhrfeind)
Blick in die Ausstellung der SGBK Bern/Romandie 2019 im Schlösschen Vorder-Bleichenberg in Biberist. (Foto: Eva Buhrfeind)
Blick in die Ausstellung der SGBK Bern/Romandie 2019 im Schlösschen Vorder-Bleichenberg in Biberist. (Foto: Eva Buhrfeind)
Blick in die Ausstellung der SGBK Bern/Romandie 2019 im Schlösschen Vorder-Bleichenberg in Biberist. (Foto: Eva Buhrfeind)
Blick in die Ausstellung der SGBK Bern/Romandie 2019 im Schlösschen Vorder-Bleichenberg in Biberist. (Foto: Eva Buhrfeind)
Blick in die Ausstellung der SGBK Bern/Romandie 2019 im Schlösschen Vorder-Bleichenberg in Biberist. (Foto: Eva Buhrfeind)