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Die Kunst des Künstlers als lyrische Kulisse: Pedro Meiers Gedichte und Polaroids von Berlin

Verfasst von Eva Buhrfeind |

«Das Gewicht des Schattens im Sonnenschein». Es ist ein recht assoziativer Titel, der diesen kleinen Gedichtband von Pedro Meier auszeichnet: Auf 146 Seiten kommt ein allegorisches Bildvokabular von 60 Jahren des Wahrnehmens fragil erlebter kultureller Stimmungen und Spuren daher.

Eine komprimierte Lyrik aus Aphorismen, Beobachtungen, Sprachbildern, persönlichen Sehnsüchten und universellen Poesien, geschrieben, erdacht, gefunden während seiner vielen Reisen. Denn der gelernte Buchhändler und -antiquar Pedro Meier (*1941) ist nicht nur ein Pendler, ein Unrastender zwischen divergierenden Welten und Sprachen, Sprachbildern und formalen Gestaltungen, zwischen den Kulturen und Kunstsparten. Seit über 40 Jahren pendelt er zwischen der Schweiz und Thailand, zwischen seinem Atelier am Golf von Siam und den Ateliers in Niederbipp oder Olten, zwischen der Schweiz und Europa. Und bleibt tief verwurzelt im Wort und im Bild medial vielgestaltiger Ausdrucksformen. Pedro Meiers künstlerischer Sprachschatz offenbart sich als ein weites zyklisches Feld, immer etwas eigenwillig, immer authentisch und auf einer narrativen Ebene nachvollziehbar. Ob am Jurasüdfuss, in Berlin, Tanger, Kairo, Venedig, Zürich, Bern, Indien, Japan, bis hin zu den fernöstlichen Zen-Gärten aus Stein – überall auf der Welt, wo sich Pedro Meier aufgehalten hat, vertiefen sich die unsichtbar sichtbar gemachten Erlebnisse und subjektiv erlebten Erinnerungen fast unabdingbar wie unerschöpflich zur assoziativen Wortkunst, verdichtet und illustrativ bis zur minimalistisch verknappten Sprache. Momentaufnahmen von Ort und Zeit, von balladenartiger Dramatik oder kurios-realer «Utopia», philosophisch Komprimiertes von unterwegs, denen der multimediale Künstler Pedro Meier eine Auswahl Polaroids kongenial zur Seite stellt. Allesamt 2005 auf Streifzügen durch Berlin entstanden, leicht verblichen, als Einheit von Zeit und Raum, dezent verschwommen wie die Erinnerungen, mit Randnotizen, Zeichnungen versehen als bildnerischer Rahmen zur lyrischen Konstanz. Pedro Meiers Schaffen ist eben immer auch als Gesamtkunstwerk zu verstehen, als Grenzgang zwischen Literatur, Malerei und Fotografie.
«Hinter den Meeren weitab, vermodern die Geschichten zu Kulissen. Und dort, wo das Bild einst hing, rostet ein Nagel durch die Wand». Was für eine bildhaft eigenwillige Metapher, fast schon eine Geschichte, die sich im Nachklang der sparsamen Worte einprägt. Zwei Sätze nur, mehr eine nachdenkliche Sequenz des Nacherlebens. Und doch, es ist diese Knappheit der Sprache, des Erinnerns an Stimmungen, an Geschichten und Gefühle, die sich durch diesen Lyrikband zieht als die Kunst des Künstlers, mit dem Wort wie ein Bild und dem Bild wie ein Wort zu jonglieren. Das Gewicht des Nichtgesagten schwingt in den Zeilen des Gesagten mit.
Und: Pedro Meier ist auch als Sohn des Schriftstellers Gerhard Meier in seinem schriftstellerischen Universum autonom geblieben. Im Gegensatz zur epischen Dichte des Vaters sind seine Verse knapp, komprimiert oder lakonisch bis zum verbalen Scherenschnitt verdichtet. Diese Lyrik braucht keinen Reim, keine Eleganz, es ist der Rhythmus des aufbrechenden Satzbaus, die Konzentration auf die Abfolge lose gesetzter Worte, aus denen Pedro Meier seine spröden Notate und fragmentarischen Reflexionen, die marginalen, teils paradoxen Sprachbilder formt, bis zur Haiku-Form reduziert oder als sparsam bebildertes  «Moment» skizziert: «Der Kuckuck ruft – glyzinienblaues Erinnern». Die Spuren des Vergangenen sind nicht vergänglich, sie hinterlassen ihre Zeichen und Stimmungen in skizzenhaften Sentenzen wie in diesen 61 Gedichten, die auch eine Suche des Künstlers nach dem Gedanklich-Philosophischem hinter den Dingen ist, sich stets treu in den ihm eigenen sparsamen, erzählenden Zeichen. Ein kleines quadratisches (15x15 cm) Büchlein zum Hineinlesen und Durchlesen, auch zum Verschenken, nicht schwergewichtig, aber durchaus mit Substanz.

Pedro Meier – «Das Gewicht des Schattens im Sonnenschein»
Gedichte und Polaroids von Berlin – 146 Seiten – Klapp-Broschur
ISBN: 978-3-8260-7110-2 / Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg
Erscheint Oktober 2020 / Preis 18 EUR, Im Schweizer Buchhandel erhältlich.