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Der schöne «David» und ein bisschen mehr: Pavel Schmidt im Haus der Kunst, Solothurn

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Ausstellung

Kryptisch wie immer, lädt Pavel Schmidt im Haus der Kunst, Solothurn zu subjektiven Interpretationen ein. Mit Dutzenden Skulpturen hinterfragt er moderne Schönheitsideale.

Pavel Schmidt jetzt also im Haus der Kunst, ein Raum, ein barocker Ort, der mit seinen Stuckaturen und weissen Wänden wie geschaffen scheint für diese antiken «David»-Skulpturen, respektive installativen sieben Figuren. Alle Davids sind dem Original von Michelangelo getreu nachempfunden, die «Venus» scheint plastisch aus Botticellis Bild herausgestiegen, offenbart nun eine elegant geformte Rückseite. Dass sie einen kleinen David mit vergoldetem Eisenstab in den Rücken geschraubt mit sich schleppt, scheint sie elegisch hinzunehmen – eine schöne Frau ist sie allemal, da ist der schöne David nur Beiwerk. Wenn auch die «Davids» nicht der Wirklichkeit entsprechen, ein ewiges Schönheitsideal verkörpern sie dennoch. Verkörpern eben auch im wahrsten Sinne des Wortes. Denn gleichzeitig zeigt Pavel Schmidt sie in mysteriösen und beinahe fiktionalen Geschichten: «neunundvierzig mal unberechenbar verrechnet» titelt er diese Werkgruppe, was nichts anderes bedeutet als das Total aller Skulpturen. Und der 1956 im tschechischen Pressburg geborene, in Biel aufgewachsene Künstler formuliert wie so oft mit Titel und Werk eigenwillig-kryptisch und stellt uns erst einmal vor Rätsel, Mutmassungen und Behauptungen. Das heisst, er lässt die Betrachtenden staunen, denken, vergleichen und erkennen: Es geht letztendlich um die Frage eines jahrhundertealten Schönheitsideals, männlich wie weiblich, und um die soziokulturelle Frage: Gibt es überhaupt ein allgemeingültiges, allumfassendes Schönheitsideal? Wo sind sie Grenzen, wer setzt die Grenzen, wie kann man diese Schönheit definieren, herstellen und erhalten?
Diese bekannten, antiken Statuen getreu nachempfundenen Skulpturen agieren bei Pavel Schmidt als süffisante Synthese zwischen Philosophie und Symbolfigur. Immer auf einem, aus sechs David-Skulpturen bestehenden Sockel stehend, wird die Idee der globalen Schönheit umgedeutet, neu formuliert: Schönheit wird im Labor produziert, Glaskolben und Laborgerätschaften sind da ganz eindeutig. Baumarktutensilien geben vordergründig das Bildhauerwerkzeug zum Erschaffen der Skulptur vor, verweisen aber letztendlich auch auf die heutige Schönheitsindustrie der «zurecht gemeisselten» Körper und Gesichter. Da ist der ramponierte David auch Ausdruck für die Zerbrechlichkeit des Menschen, der aus dem Körper ragende Isolator lässt dennoch an ein starkes Rückgrat denken. Oder die sich aus dem alabasternen Körper heraus schlängelnden Telefonmast-Isolatoren leiten menschliche Impulse. Oder isolieren sie Energien? Pavel Schmidt, der bereits 2013 im Haus der Kunst sein opulentes Buch «Genova» vorgestellt hat, bewegt sich auch hier konsequent im Grenzgebiet von offenherzig und verschlüsselt. Immer von einem gewissen subversiven Hintersinn untermalt, unterliegt alles bei Pavel Schmidt der Umdeutung, dem Neuformulieren und Auflösen doppeldeutiger und hintergründiger Absichten.
Sehr viel reduzierter in der vordergründigen Interpretationsmöglichkeit ist sein Kafka-Zyklus, eine Bilderserie, die im Altar- und im Chorraum die Besucher herausfordern. Denn so uneindeutig Franz Kafkas Textausschnitte wirken – sie gingen tel quel einst an den Verleger – so kryptisch geben sich die künstlerischen Motive oder scheinen zumindest mehrheitlich nicht lesbar. Auch hier gilt: das Zeichnerische, die zeichenhaften oder malerischen Figurationen sind frei, teils abstrahiert, teils irgendwie doch auch assoziativ, ein wenig provokativ oder sinnlich oder informell kodiert, oder von allem etwas. Diese Malereien in mancherlei Mischtechnik wirken wie lustvoll und frei interpretierte Metaebenen. Der Betrachter muss es mit seinen Erfahrungen oder einer freien, offensiven Interpretationslust für sich selber richten, ob nun die lyrische Schrift das Bild erklärt oder nicht. Oder umgekehrt, ob das Bild den Text illustriert oder auch nicht.
Bis 25.11.2018 Geöffnet: Do – Fr 17-20 Uhr, Sa - So 13-17 Uhr. Freitag, 16.11., 19 Uhr, Lesung von Pavel Schmidt.

Pavel Schmidt 2009 in der Galerie Rössli in Balsthal

Artikel in der Solothurner Zeitung

 

Blick in die Ausstellung von Pavel Schmidt 2018 im Haus der Kunst, Solothurn. (Foto: Eva Buhrfeind)
Blick in die Ausstellung von Pavel Schmidt 2018 im Haus der Kunst, Solothurn. (Foto: Eva Buhrfeind)
Blick in die Ausstellung von Pavel Schmidt 2018 im Haus der Kunst, Solothurn. (Foto: Eva Buhrfeind)
Blick in die Ausstellung von Pavel Schmidt 2018 im Haus der Kunst, Solothurn. (Foto: Eva Buhrfeind)