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Retrospektive Margarita Flad – Die Farbe als Motto, die Begegnung als Motivation

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Vernissagerede

Unter dem Titel «Kunst lebt.» gibt es für die am 10. April 2022 80jährig verstorbene Margarita Flad eine Retrospektive. Zu sehen sind im Atelier der Künstlerin an der Dorfgasse 12 4710 Balsthal Arbeiten aus den Jahren 1982 - 2022. Es spricht Eva Buhrfeind, Kulturjournalistin.

Ich freue mich, dass Sie gekommen sind.

Besonders freue ich mich für die Familie Flad, für Margarita in memoriam, denn was wäre Kunst ohne die Begegnung mit den Betrachtenden. Ist doch eine Begegnung auch immer ein Reagieren auf das Gegenüber, auf Altes und Neues, auf Stimmungen und Empfindungen, auf Orte und Inhalte, auf dahinter liegende Geschichten.

Vor vielen Jahren durfte ich Margarita kennen lernen, eine spontane berufliche Begegnung, die uns immer wieder zusammenführte und im gegenseitigen Verstehen ein verständnisvolles Vertrauen schuf.

Und eine Begegnung mit Margarita war auch immer eine Begegnung mit einer ausserordentlichen Freude am Malen, an den Farben, denen sie Formen und Figur, Ausdruck oder Geschichten gab. Oder, um Margarita zu zitieren «Begegnung ist der Anfang jeder Kommunikation».

Ihre malerische Gestik, die Kraft der Farben, vermitteln noch heute eine wirkungsreiche Vitalität, auch Zeichen eines konsequenten wie kontinuierlichen Reifeprozesses. Doch stets ist sie sich im künstlerischen Wandel, im freiheitlichen Umgang mit Farbe, Form und Inhalt treu geblieben: Inhalte, die sie immer weiterführte, wandelte und  entwickelte – von der Figur bis in die Abstraktion, in Topografisches, Florales, Eiszeitiges.

Margaritas Bilder waren stets Seelenbilder, immer wieder er- und durchlebte Reaktionen auf die Umwelt, auf Eindrücke, Gefühle. Sie sind bis heute Ausdruck ihres jeweiligen Lebensgefühls und ihrer Wahrnehmungen, persönlicher Spannungen und Empfindungen, Gedanken und Erlebnisse. In ihnen reagierte sie auf das Ruhige und das Heftige, das Leichte und das Schwere, das Positive und das Negative, auf innere und äussere Erfahrungen, auf Veränderungen und Atmosphärisches.

Und so, wie die Malerin Neues erfuhr, fühlte, sich änderte, so haben sich ihre «Begegnungen», ihre Bildinhalte überhaupt im Laufe der Zeit geändert, sind mit ihr gegangen, haben sich mit ihr entwickelt, sind mit ihrer Malerei allmählich, aber konsequent gewandelt. Die Figuren und Formen wurden kantiger, kristalliner, die einst transparenten Farben kräftiger, wuchtiger, ja auch «aggressiver» oder einfach vitaler. Es wurden «ihre» Farben: Blau und Gelb in der anziehenden Leuchtkraft; Rot, mit einer eigenen, dynamischen Ausstrahlung. Grün taucht nur selten auf, markiert mehr den Widerspruch, als kleine, vielleicht sogar subversive Note.

Begegnungen
Ja, die Begegnung im Allgemeinen, der Mensch in der «Begegnung» im Besonderen, Menschen im Kommen und Gehen, das Miteinander-leben und Miteinander-auskommen, das Aufeinander-zugehen, Auseinanderdriften, Menschen überhaupt waren eines ihrer Hauptthemen. Ein Leitmotiv sozusagen, in das man auch ihre anderen Themen einordnen konnte: Landschaften, Kristallines und Eiszeiten, Blumen und Abstraktes als sinnbildhafte Auflösung und Ineinander-übergehen ihrer Bedeutungen.
Die «Begegnungen» haben die Balsthaler Künstlerin einfach nicht losgelassen. Sie waren die kreative Herausforderung, «der Vielfalt des Menschen die Vielfalt der Kompositionen entgegenzustellen» – haben sich sogar als Kunst im öffentlichen Raum verselbständigt.
Beinahe philosophisch in Farbe und Gestalt ermalt, hat sie uns, die Betrachtenden diese Menschen mit Pinsel und Spachtel in immer neuen Situationen, Formationen und Figurationen erleben lassen. Dabei, wie so oft im Leben, führte ein Schlüsselerlebnis auf diese neuen Wege:

Ein Tag in Bern, der Blick auf die Menschen in den Laubengängen, hektisch eilend, dicht gedrängt oder locker flanierend, kurz aufeinander zugehend, von links, von rechts und wieder weg driftend. Ein Erlebnis, Erkenntnisse, die zu Bildern wurden, in denen die Menschen vor allem Haltungen sind, Körper, Gesten in Bewegung, die aus dem Irgendwo auftauchen, um ins Irgendwohin weiterzugehen.

So haben  ihre Menschen im Laufe der Zeit und wechselnder Erfahrungen mancherlei figürliche Änderungen durchgemacht. Immer neu variiert trieb sie ihre «Menschen» zeitweise auf die Spitze. Liess sie ‒ nicht ausschliesslich, sondern stets im Wechsel mit den anderen Ausdrucksformen ‒ immer nadelspitzer und unnahbarer werden.
Als schlanke hohe Stelen bilden sie Raumkörper zwischen Malerei und Skulptur, finden sich als Druckgrafik wieder. Als hohe, spitzige Eisennadeln, archaisch wie wehrhaft, in der alten von-Roll-Schmiede in der Klus erschaffen.

Sie haben sich vereinzelt, treten in kleineren Gruppen auf, wurden flächiger, dann reduziert zu statuarischen Momentaufnahmen, bis zur Ungegenständlichkeit. Manche inszenierte Margarita anekdotisch, kleinen Theaterszenen nicht unähnlich, andere zeigen sich überspitzt, um wieder zur flächig akzentuierten Komposition zu finden, die sich auch in ihren anderen Inhalten findet. So, als wenn sich die Motive – das Figürliche, kristalline Topografien oder felsschroffene landschaftliche oder florale Formationen – gegenseitig inspirieren.

Landschaften
Der Mensch, er kommt aus der Landschaft, er wird zur Landschaft. Aneinander gesetzt, über- und ineinander gelagert trägt die Landschaft den Menschen, der Mensch die Landschaft. Schon früher gab es bei Margarita Landschaften, Häuser, Menschen auch, die sich ‒ wenn auch nur ahnbar ‒ in die topografischen Farbteppiche einfügten. Diese ihre Landschaften waren  erinnerte Impressionen, Charakteristika, an der man eine Landschaft erkennt.
Auch diese anfänglich vertrauten, heimischen Landschaftsszenen, einfache, aber eigenwillige Landschaftsbilder, waren Ausdruck einer neuen, oder besser neu entdeckten malerischen Energie bei Margarita. Typisch im Farbauftrag, in der klaren mosaikartigen Komposition haben sich die Landschaftsaugenblicke aus dem Korsett einer festgelegten Wahrnehmung befreit – sind einfach nur noch Landschaft, anskizziert als «Begegnungen» der darin wandelnden «neueren» Menschen.

Eiszeiten
Anfang 2000 waren diese «Eiszeiten» da, still und leise aus kristallinen Formationen entwachsen, leuchten sie diamanten aus dem gelben Meer oder bläulich schroff aus dem nachtblauen Ozean, als kristalliner Berg im rötlich-violetten Licht.
Zum Greifen naturnah oder aus der Natur verselbstständigt – wie das sinnbildhafte menschliche Sein in immerwährender Bewegung und wechselnden Situationen – melancholisch, romantisch, mystisch, magisch kalt oder in einsamer Aufbruchstimmung.

Blumen
Margarita bewegte sich stets im konstanten Kreis von Altem und Neuem. Ob nun ihre Menschen, ihre Landschaften oder Blumen, sie alle schöpfen aus einer malerischen Vitalität, beweisen ihre Mallust und ihr Maltemperament.
Eindrücklich auch ihre Blumeninterpretationen, ob als «Action Painting», Feuerwerke explodierender Farbtupfen, Blütenblättern und blumigen Bewegungen oder später mit der Spachteltechnik zur kristallinen Formen oder «Flower power» gesteigert.
Wurden ihr dann die Farben zu viel, kam Margarita in filigranen schwarzweissen Tuschezeichnungen zur Ruhe: tanzende Kalligrafien, friesartige Formationen, Figürliches als reine zeichnerische Geste befreit, Vernetzungen als sinnbildhafter Moment.
Ich wünsche Ihnen viele anregende Begegnungen und Gespräche – heute Abend und für das Leben an sich.

 

Eva Buhrfeind, 6.5.2023 anlässlich der Gedenkausstellung in Balsthal


Atelier Margarita Flad  Dorfgasse 12 4710 Balsthal
Öffnungszeiten Freitag 18-21 Uhr  Samstag 15-18 Uhr  Sonntag 11-14 Uhr
Individuelle Besichtigung ausserhalb der Öffnungszeiten nach Vereinbarung.
Parkplätze im Dorfzentrum oder beim Friedhof.
www.margaritaflad.ch | +41 79 420 98 28 | patrickflad@me.com

 

Einladungskarte Gedenkausstellung Margarita Flad 2023 in Balsthal.
Einladungskarte Gedenkausstellung Margarita Flad 2023 in Balsthal.
Retrospektive Margarita Flad 2023 im Atelier der Künstlerin an der Dorfgasse 12 in Balsthal. (Foto: Eva Buhrfeind)
Retrospektive Margarita Flad 2023 im Atelier der Künstlerin an der Dorfgasse 12 in Balsthal. (Foto: Eva Buhrfeind)
Retrospektive Margarita Flad 2023 im Atelier der Künstlerin an der Dorfgasse 12 in Balsthal. (Foto: Eva Buhrfeind)
Retrospektive Margarita Flad 2023 im Atelier der Künstlerin an der Dorfgasse 12 in Balsthal. (Foto: Eva Buhrfeind)
Retrospektive Margarita Flad 2023 im Atelier der Künstlerin an der Dorfgasse 12 in Balsthal. (Foto: Eva Buhrfeind)
Retrospektive Margarita Flad 2023 im Atelier der Künstlerin an der Dorfgasse 12 in Balsthal. (Foto: Eva Buhrfeind)
Retrospektive Margarita Flad 2023 im Atelier der Künstlerin an der Dorfgasse 12 in Balsthal. (Foto: Eva Buhrfeind)
Retrospektive Margarita Flad 2023 im Atelier der Künstlerin an der Dorfgasse 12 in Balsthal. (Foto: Eva Buhrfeind)
Retrospektive Margarita Flad 2023 im Atelier der Künstlerin an der Dorfgasse 12 in Balsthal. (Foto: Eva Buhrfeind)
Retrospektive Margarita Flad 2023 im Atelier der Künstlerin an der Dorfgasse 12 in Balsthal. (Foto: Eva Buhrfeind)