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«Bilder und Zerrbilder»: Ausstellung im Kunstmuseum Solothurn

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Film

Aus Anlass der Filmtage wurde im Graphischen Kabinett des Kunstmuseums Solothurn wiederum eine Sonderausstellung eingerichtet, die sich dieses Jahr über Edwin Beelers Dokumentarfilm «Bruder Klaus» mit der idealisierten wie tradierten Person des Schweizer Mystikers Niklaus von Flüe auseinandersetzt.

Niklaus von Flüe (1417-1483), wohlhabender Bauer, Vater von zehn Kindern, Ratsherr und Richter, Soldat und Gesandter in eidgenössischen Diensten, zog sich mit 50 Jahren als Einsiedler in eine winzige Zelle neben der Kapelle in die Ranftschlucht im Melchtal zurück. Das Schwert hat er gegen den Stab getauscht, und trotz der Einsamkeit, den Träumen, Visionen und Betrachtungen wirkte er als weltoffener, charismatischer, ausgezeichneter Ratgeber und Vermittler, gefragt an in- und ausländischen Fürstenhöfen, konsultiert von Staatsmännern, verehrt durch all die Jahrhunderte hindurch als Friedensstifter, und damit eine prädestinierte Vaterlandsfigur, um politisch wie ideologisch «missbraucht» zu werden.

Von den Anfängen bis zur Gegenwart
Die Ausstellung, von Verena Zimmermann und Hanspeter Rederlechner mit Sachverstand und Verve zusammengetragen, kreist von verschiedenen Seiten das Leben und Wirken dieses schon zu Lebzeiten als Heiliger glorifizierten Bruder Klaus ein. So werden unter dem Titel «Bilder und Zerrbilder» diverse und divergierende Darstellungen des 1947 heiliggesprochenen Niklaus von Flüe vom frühen 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart gezeigt: Kupferstiche, Temperamalerei, der Abguss einer Holzfigur um 1504, Texte, Dokumente, um sich so einer Gestalt zu nähern, die im Laufe der Jahrhunderte immer neu interpretiert und idealisiert wurde.
Demgegenüber stehen Kunstwerke von zeitgenössischen Künstlern wie Franz Eggenschwiler, Rudolf Mumprecht, Kurt Sigrist, Alois Spichtig (Konservator des Bruder-Klaus-Museums in Sachseln, aus dem zahlreiche Leihgaben stammen), André Thomkins, Eugen Bollin, Walter Burger: Werke, in denen sich Kunstschaffende anlässlich einer Ausstellung 1981 mit dem Mystiker Niklaus von Flüe auseinandersetzten. Fotos führen die von Alois Spichtig
in Holzschnitt-Reliefs verbildlichten Visionen des Eremiten vor Augen. Visionen, die auch von Edwin Beeler in seinem dokumentarischen Film dramaturgisch spannend umgesetzt wurden und als Fotos bzw. Filmsequenzen auf Video zur Ausstellung gehören.

Recherche-Materialien
Die hier gezeigten Recherche-Materialien geben nicht nur Einblick in die Entstehungsgeschichte eines Filmes, sondern leiten auch über zu einem weiteren Schwerpunkt dieser Sonderschau: der hemmungslosen, ungenierten Vereinnahmung Bruder Klausens, ob nun durch Politiker, durch die Kirchen oder durch die Militärs, die alle - je nach Standpunkt - die überlieferten Aussagen und Betrachtungen ausgesprochen konträr interpretierten, um so diese Identifikationsfigur vor ihren Propaganda-Wagen spannen zu können. Zerrbilder gewissermassen auch in einem übertragenen Sinn, Widersprüche wie Ungereimtheiten, von denen Film wie Ausstellung eine Ahnung vermitteln, und die hier im Kabinett mit beeindruckenden Fotos vom Hungerstreik der von der Ausschaffung bedrohten kurdischen wie türkischen Asylbewerber in Flüeli-Ranft ihren Abschluss finden. Eine von engagierten Schweizern unterstützte Aktion, die zwar erst nach Beendigung des Filmes stattfand, nichtsdestotrotz mit zur Annäherung und zum Verständnis um das Wirken dieses Mannes gehört. (Bis 15. März 1992)
 

Der Filmemacher und die Ausstellungsmacherin: Edwin Beeler und Verena Zimmermann in der Ausstellung des Kunstmuseums Solothurn 1992.
Der Filmemacher und die Ausstellungsmacherin: Edwin Beeler und Verena Zimmermann in der Ausstellung des Kunstmuseums Solothurn 1992.