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Von Schichten und Geschichten: Karin Stauffer und Norbert Eggenschwiler im Schlösschen Vorder-Bleichenberg, Biberist

Verfasst von Eva Buhrfeind |

Karin Stauffer und Norbert Eggenschwiler sind im Schlösschen Vorder-Bleichenberg, Biberist, mit ihren Werken präsent. Karin Stauffer mit plakatierten Geschichten, Norbert Eggenschwiler mit Skulpturen jedwelcher Art.

Was bleibt in wechselreichen Zeiten des Kommens und (Ver)gehens, was überlebt von plakatierten Geschichten und Texturen auf Wänden, Mauern? Was bleibt überhaupt von den  Geschichten, die an Strassen, auf Haus- und Plakatwänden für kurze Zeit Infos bieten?
Karin Stauffers Bilder handeln von ebendiesen Geschichten und Schichten von Zeit und Sein, Projektionsflächen für innere und äussere Bilder; es sind sensibilisierte Wahrnehmungen des Unauffälligen. In ihren gross- wie auch kleinformatigen Bildern lässt die 50-jährige Karin Stauffer aus Balsthal das Ursprüngliche, die Texturen des Wandels anklingen als ein immer wiederkehrendes Thema. Immer wieder neu erlebt, reflektiert und als zurückliegende Spurensuche wahrgenommen, verwandelt Karin Stauffer diese Eindrücke aus Spanien, die zeichenhaften Relikte verlassener Baustellen zu subtilen Bildsituationen, selbst als Ahnung erlebbar in den Lasuren, akzentuierten Spuren, fragilen Strukturen und Bewegungen. Variationsreiche, unleserlich gewordene Eindrücke eines steten Überganges des Sehens und Erlebens, die Karin Stauffer in eine Art malerische Archäologie dessen verwandelt, was war, was bleibt oder nie ganz ausgelöscht, sondern immer neu überlagert wird. Auch hier trägt Karin Stauffer die zartblaue, graue, erdige, grünliche Farbmasse in vielen Schichten auf und nimmt sie wieder ab, deutet mit relikthaften Elementen das Vergängliche dieser freskenhaften Kompositionen an. So, als wenn zwischen den Chiffren und Schichten die Zeit ein Geheimnis hütet. In aufwendigen Prozessen lasierender und brüchiger Kompositionen mit verschiedensten Hilfsmitteln des Auf- und Abtragens generiert sich eine entrückt stimmende Transparenz. Vielschichtig im wahrsten Sinne des Wortes und zugleich auch Ausdruck zivilisatorischer Fragmente des Gewesenen, das, abgerissen, abgeschabt, wieder überklebt, eine endlose Folge sich überlagernder gesellschaftlicher und kultureller Archäologien andeutet.
Norbert Eggenschwiler ist Bildhauer durch und durch. Ob Marmor verschiedenster Provenienzen, ob Kalkstein, Bronzeguss oder Gusseisen, der Balsthaler Künstler findet in jedem Stein, jedem Material eine Gestalt, ein Wesen, selbst im Bronzeguss wirkt der Dialog von bildhauerischer Ästhetik und Stofflichkeit, von klarer Form und anekdotischer Idee – perfektioniert und perfekt in den deskriptiven Details. Da reflektiert der 59-jährige Bildhauer im goldglänzenden Bronzeguss eines menschlichen Oberschenkels das Werden und Vergehen; auch die kleinen Rückenwirbel, naturgetreu in mattem Bronze nachgebildet, zeugen von feinsinniger Neugier bei der bildhauerischen Gestaltung. All diese Arbeiten sind gegenständlich und eindeutig, und scheinen gleichzeitig von einem Geheimnis umgeben, von einer seltsamen Spannung belebt. Zeitlos im Spiel mit alltäglichen Ritualen, mit Begriffen, aber auch mit Widersprüchlichem oder der Irritation der Wahrnehmung oder einfach als formale Auseinandersetzung mit figurativen Ideen, laden diese Arbeiten ein, hinter die sichtbare Gestalt zu schauen, auf eigene Erkenntnisse zu bauen. Der mächtige Marmorkuchen aus Göflaner Marmor, ein raffiniertes Wortspiel und süffisanter Hinweis auf die Nichtessbarkeit eines vertrauten Erlebnisses. Das schlichte symbolträchtige Boot aus schwerem weissen Göflaner Marmor wirkt so leicht und erhaben, als wenn es trotz aller Schwere dahingleiten könnte. Die weissen Kissen laden in ihrer Stofflichkeit zum Verweilen ein, sind aber harte Brocken; der Lippenstift in Grossformat löst phantasievolle Assoziationen aus, die steinernen Zahnpastatuben widerspiegeln die weiche Formbarkeit eines ursprünglich elastischen Materials. Und ja, die «Luft ist bald raus», ganz augenfällig langsam erschlaffende Luftballons, die den massiven rosa Marmor mit den Dellen und Fältelungen auf einmal weich wirken lassen. In meist sanften Nuancen schimmern seine Marmorplastiken, geben sich wie der sonntägliche bronzene Zopf auch gerne mal dunkel oder glitzernd kristallin wie jenes Objekt aus Kalkstein von Calatorao, das an eine grosse, angeschnittene Blutwurst erinnert. Sie alle suggerieren uns vertraute Welten, sind Sinnbild unserer Phantasie und Ausdruck einer bildhauerisch reichen Imagination.
Eine Melancholie des Moments findet sich in der Kapelle mit echt wirkenden Kerzen aus kristallinem Marmor und einer lädierten «Salve Regina» auf dem Altar.

Bis 8. November 2020. Öffnungszeiten: Mi + Do 16 – 19 Uhr, Sa + So 14 - 17 Uhr. Matinée Sonntag 25.10., 11 Uhr mit Gabriel Arnold, Klavier.