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Wenn sich Stein und Stift ergänzen: Franz Anatol Wyss und Wädu Nützi in Härkingen

Verfasst von Eva Buhrfeind |

Franz Anatol Wyss und Wädu Nützi stellen gemeinsam in der Alten Kirche Härkingen aus. Wenn Stift auf Stein trifft, entsteht ein Ambiente besonderer Art.

Es ist immer wieder eindrücklich, wie Franz Anatol Wyss mit den Blei- oder Farbstiften seine Geschichten und Betrachtungen in Szene setzt. Der Künstler aus Fulenbach ist mit seinen Bildinszenierungen ein genauer Beobachter und ein virtuoser Erzähler, angetrieben von künstlerisch unerschöpflichen wie narrativen Impulsen. Ob er nun mit den Farbstiften seine charakteristische Bildsprache bis ins Abstrahierte ausreizt, das Zeichnerische zur malerischen Wirkung erweitert, expressiv das Fulminante des zu Erzählenden betont. Oder ob er mit dem Bleistift in fein austarierten Nuancen den stimmungsvollen Ausdruck seiner früheren Aquatinta-Arbeiten bestärkt. Bildsprache kann man bei Franz Anatol Wyss wörtlich verstehen, wenn er sein unverkennbares Symbolikrepertoire und Metaphern zu sich bedingenden oder schlussfolgernden Parabeln zusammenfügt. Ja, das Leben offeriert dem Künstler immer neuen Stoff, wenn es darum geht, das Reale und das Fiktive, die persönlichen Eindrücke der Welt und des Individuums in gegenseitiger metaphorischer Spannung zu halten. Wie aktuell seine Bildthematik bereits 2008 war – es stehen hier Werke aus den vergangenen Jahren und einige ältere Arbeiten im Vergleich – beweist die Farbstiftzeichnung im Altarraum, die direkt im Fokus der Eintretenden liegt. «Grenze» nimmt in beinahe plakativer Farbgebung den gegenwärtigen, dramatischen Krieg und die Gewalt von Grenzkonflikten voraus. Feuerrot und leuchtendes Orange beherrschen die Ansicht, in einem kleinen Ausschnitt die heile ferne Bergwelt, eine geografisch zergliederte Inselwelt, Helikopter, Kreuze, Fliehende, Jagende, sparsam sind hier die Bildzeichen und kleinen Figurationen angeordnet, und doch beweist dieses ausdrucksreiche Bild die nachhaltige, beinahe visionäre Erzählkraft von Franz Anatol Wyss. Vor allem aber sind es die ebenso fein wie dicht, mit dem Bleistift gesetzten altmeisterlich-grafischen Bildinhalte, die die Komplexität des Seins, das Unberechenbare wie die Vergänglichkeit des Menschen, die Verletzbarkeit der Natur, die Wiederholbarkeit der Geschichte und seine künstlerische Assoziationskraft zu den ihm eigenen Bildmysterien verknüpfen: «November», ein 18-teiliger Fries, der symbolische Fragmente, szenische Ansätze und allerlei Wirklichkeiten, sinnbildartig auftretende Figuren, ja überhaupt seine künstlerische narrative Freiheit und seine langjährige vielgestaltige Bildsprache zur Fabel verrätselt. Und da wäre das aktuelle Kriegsgeschehen, das den Künstler mit Jahrgang 1940 nicht loslässt. Die Zeichnungen «Exodus» (2022) sind beklemmende Bildergeschichten, die ganz ohne Worte vielschichtig nachklingen.

Wädu Nützis bildhauerische Arbeiten aus Marmor
Nicht zum ersten Mal stellen Franz Anatol Wyss und Wädu Nützi gemeinsam aus. Und auch in dieser Ausstellung findet sich ihr künstlerisches Schaffen zu einem harmonischen Dialog von expressiver und zurückhaltender Präsenz. Wädu Nützis bildhauerische Arbeiten aus Marmor stehen für die klassische Faszination des Steinbildhauers, aus dem unbehauenen Stein die inneliegende Kraft zur perfekten Gestalt herauszuarbeiten. Dabei geht es ihm stets um die absolut einfache, gleichzeitig komplexe Form, deren klare strenge Schlichtheit der Künstler aus Fulenbach akribisch bis zur zeitlosen Ästhetik perfektioniert. Doch so abstrakt seine marmornen Arbeiten auf den ersten Blick auch wirken mögen, sie sind inspiriert von der Natur. Manche verweisen auf Dornen, andere auf Geländeformen, sind variabel in der Position und Lage und damit wandelbar in der Wirkung bis ins Architektonische. Ihre mit dem Diamantschleifpapier veredelte, seidenweiche Oberfläche intensiviert die haptische Reinheit, die sich im Altarraum als majestätisch-erratische Gestaltung vorstellt. Anderen Arbeiten wiederum verleiht der Steinbildhauer mit fein ziselierten Strukturen ein naturnahes Moment. Eine Bodenarbeit lässt an einen urzeitlichen Samen, an ein Blatt denken, die Sakristei inszeniert ganz unprätentiös ein tierisches Horn zum wundersamen Ort der Ruhe.

Bis 10. April 2022. Öffnungszeiten der Ausstellung: Freitag 19.00 – 21.00 Uhr, Samstag/Sonntag 14.00 – 18.00 Uhr. Die Künstler sind jeweils am Sonntag anwesend.