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Saisoneröffnung im Atelier-Theater Bern: Endstation Friedhof

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Theater

Friedhofsstimmung ist angesagt im Atelier-Theater, eine sogenannte «irische Unterhaltung» nach einer Vorlage von Brendan Behan.

Viel Mut beweist Michael Wedekind, wenn er zum Auftakt der Theatersaison 1988/89 das unkonventionelle Stück «Richards Korkbein» des irischen Dramatikers Brendan Behan aufführen lässt. Um es vorwegzunehmen: Ein überaus begeistertes Premierenpublikum holte die Darsteller zu einem vierfachen «da capo» ihrer Songs auf die Bühne.

Vom Milieu geprägt
Der 1964 erst 41-jährig an Alkoholismus und schwerer Zuckerkrankheit verstorbene Behan kam nach einer Karriere als Anstreicher, Widerstandskämpfer und Gefängnisaufenthalter erst zum Journalismus, dann zur Schriftstellerei. «Richards Korkbein», diesen Stücktitel hat er im übrigen einem Ausspruch James Joyces entlehnt, ist denn auch kein Theaterstück im herkömmlichen Sinn, sondern hier treffen in einer Art Revue für Normalbürger groteske Gestalten zusammen, deren Milieu den Autor Behan schon früh prägten: Huren, Revoluzzer, Alkoholiker, Spiesser und die alles dominierende Kirche.
Ort der Handlung, sozusagen als Sinnbild für die von Krieg, Hass und Zerstörung geprägte irische Insel, ist der Friedhof. Fröhlich bis bitterernst, makaber bis fanatisch präsentiert sich die Überlebenstaktik in einer grausamen Realität, in der Poesie und Gewalt so dicht beieinander liegen. Man ist eben immer mit einem Bein im Grab. Aber Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

Mitreissende Inszenierung
Und was Michael Wedekind und sein Ensemble mit diesem manchmal an Brecht erinnernden Werk auf die Beine und damit auf die Bühne stellen, ist originell und mitreissend, einfach sehenswert. Temperamentvoll und absolut ohne Respekt saufen, huren, blödeln und singen sich die Figuren (Brigitte Rohbeck und Silvana Sansoni als Nutten, Gerry Hungbauer als Mr. Cronin, Erwin Leimbacher als Held Hogan, Hannes Maeder als amerikanischer Grabverkäufer, Liesel Dieden als Mrs. Mallarkey, Brigida Nold als ihre Tochter sowie Kurt Bigger in Personalunion als Pfarrer, Leiche, Blauhemdenführer und Polizist) durch einen Tag ihres Bühnenlebens.
Sie teilen bissige Seitenhiebe gegen Gott und die Welt aus, werden dann wieder rührend-poetisch oder lebensnah derb-vulgär. Steingräber und Eisenkreuze: Mit wenigen Mitteln gelingt es Dieter von Arx, eine trostlos schauerliche Friedhofatmosphäre einzufangen. Die einfühlsame musikalische Begleitung durch Paulo Campos de Melo gibt diesem Spektakel mit ernstem Hintergrund den letzten Schliff.

Brigitte Rohbeck und Silvana Sansoni als Nutten in «Richards Korkbein» von Brendan Behan.
Brigitte Rohbeck und Silvana Sansoni als Nutten in «Richards Korkbein» von Brendan Behan.