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Heimat überall und über alles: Zu Franz Xaver Kroetz' Stück «Heimat» in Bern

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Theater

Im Rahmen von «Aua, wir leben», das sich als Forum für zeitgenössisches Theater versteht, gastierte das Freiburger Theater (BRD) leider nur einmalig mit Franz Xaver Kroetz' «Heimat» im Alten Schlachthaus Bern.

Nachdem man mit Beat Sterchis «Dr Sudu» Gossenmilieu überspitzt auf Berndeutsch hat erleben dürfen (oder müssen), kam jetzt echt bayrische Kost auf den Bühnentisch im Alten Schlachthaus. Franz Xaver Kroetz hat hier voll aus dem ärmlichen, freudlosen Leben der untersten Gesellschaftsschicht und sicher auch aus seinem nicht sehr erfreulichen Erfahrungsschatz geschöpft. So interessieren ihn vor allem die Schwachen, Erbärmlichen, Leute, die zuunterst sind und nie nach oben kommen werden. Und wenn man sie in ihrer kargen Küche sieht, diese einfachen, armen Leutchen, an denen der wirtschaftliche Aufschwung der Nachkriegszeit vorbeiging, im Kontrast zur heutigen «Denver»- und «Dallas»-Luxuszeit, dann kommt neben Mitleid auch sehr viel Sympathie auf. Sympathie für den Grossvater, der mehr oder weniger überfordert ist mit der Erziehung der unehelichen Enkelin, dabei doch guten Willens, sie auf den «rechten» Weg zu bringen, so nach dem Motto: «Arbeit macht frei». Oder die junge Mutter Inge, die aus dem heimatlichen, bayrischen Kaff ausgebrochen ist, auf der Suche nach einem Zipfelchen vom Glück. Oder die kleine Nathalie, die Enkelin, die schon so früh in ein trostloses Erwachsenenleben, ohne Spiele, hineingepresst wurde. Denn Arbeit ist hier das halbe Leben, und die andere Hälfte eben leider auch. Arbeit führt weiter im Leben, nur fragt sich für sie: wohin.
Und erfüllt sich dann doch einmal ein grosser Wunsch, wenn der Lebenstraum des kleinen Mannes in Lebensgrösse auf der Bühne steht (der «Vauwe-Käfer, 1300, Sparkäfer»), dann will keine rechte Freude aufkommen. Sie haben es schon verlernt oder vielleicht nie gelernt, sich aus Herzen zu freuen; dazu ist die Härte des Lebens zu allgegenwärtig, selbst für die kleine Enkelin.

Eindringlich inszeniert
Die ganze Kargheit und Erbärmlichkeit dieses dürftigen Lebens kommt vortrefflich in ihrer holprigen Sprache zum Ausdruck: knappe Sätze, fast Satzfragmente oder nur Stichworte. Emotionslos und ungewandt, aber mehr können sie auch gar nicht sagen. In dieser unromantischen, jedoch absolut eindringlichen Inszenierung von Carsten Bodinus spielen Heiner Stadelmann den Grossvater, Anke Zillich seine Tochter Inge und ganz hervorragend die kleine Carla Schulz die Enkelin Nathalie, die mit ihrer Kindlichkeit zum Erfog beiträgt.
Es ist kein schrilles Theater zum Auf-die-Schenkel-klopfen und Grölen, keine Karikatur der Underdogs, sondern so subtil und menschlich, dass es den Zuschauer nachdenklich und betroffen nach Hause entlässt.

Heiner Stadelmann und Carla Schulz in «Heimat» von Franz Xaver Kroetz.
Heiner Stadelmann und Carla Schulz in «Heimat» von Franz Xaver Kroetz.