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Menschen im Kommen und Gehen: Vernissagerede zu Margarita Flads Ausstellung im Kantonsspital Olten

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Vernissagerede

Einführung von Eva Buhrfeind anlässlich der Vernissage von Margarita Flad im Kantonsspital Olten, 12. April 2011

Meine Damen und Herren

Ich freue mich, dass Sie gekommen sind.

Besonders freue ich mich für Margarita Flad. Denn was wäre Kunst ohne den Betrachter, der Künstler ohne die Begegnung mit dem Betrachtenden. Ist doch eine Begegnung auch immer ein Reagieren auf das Gegenüber, auf Altes und Neues, auf Stimmungen und Empfindungen, auf Orte und Inhalte, auf dahinter liegende Geschichten.

Begegnung:

Der Mensch in der «Begegnung», Menschen im Kommen und Gehen, das Miteinanderleben und Miteinanderauskommen, das Aufeinanderzugehen, Auseinanderdriften, Menschen überhaupt sind eines ihrer Hauptthemen. Seit 20 Jahren ermalt Margarita «ihre» Menschen in immer neuen «Begegnungen», lässt uns, die Betrachter, diese Menschen immer neu erleben.

Wie so oft im Leben führt ein Schlüsselerlebnis auf neue Wege. Ein Tag in Bern, der Blick auf die Menschen in den Laubengängen, hektisch eilend, dicht gedrängt oder locker flanierend, kurz aufeinander zugehend, von links, von rechts und wieder wegdriftend. Ein Erlebnis, eine Erkenntnis, die zu Bildern wurden, in denen die Menschen vor allem Haltungen sind, Körper, Gesten in Bewegung, die aus dem Irgendwo auftauchen, um ins Irgendwohin weiterzugehen. Anfänglich noch waren ihre Gestalten runder, figürlicher und farblich dezent. Sie formierten sich aus einem dunstig-wolkigen Hintergrund zu einem Fluss, um sich wieder schattenhaft zu verlieren.

Dann wurde der Pinsel durch den Spachtel ergänzt oder ersetzt, so dass in der Folge die Gestalten kantiger, eckiger wurden, die für sie so typische kristalline Form entwickelten. Die einst transparenten Farben wurden nun kräftiger, wuchtiger, ja auch «aggressiver» oder einfach vitaler. Es wurden «ihre» Farben:
Blau und Gelb in der anziehenden Leuchtkraft, Rot, mit einer eigenen, dynamischen Ausstrahlung. Grün taucht nur selten auf, markiert mehr den Widerspruch, als kleine vielleicht sogar subversive Note.

Margarita Flad reagiert intensiv auf Stimmungen, auf innere und äussere Erfahrungen, auf Wandel und Atmosphärisches.
Ihre Malerei entsteht aus dem Un- wie Unterbewussten, erst mit dem fertigen Bild kommt auch die Erkenntnis des Inhaltes.

Ihre Bilder sind denn auch Seelenbilder, immer wieder er- und durchlebte Reaktionen auf die Umwelt, auf Eindrücke, Gefühle.
In ihnen reagiert sie auf das Ruhige und das Heftige, das Leichte und das Schwere, das Positive und das Negative.
Sie sind Ausdruck ihres jeweiligen Lebensgefühls und ihrer Wahrnehmungen, persönlicher Spannungen und Empfindungen, Gedanken und Erlebnisse.
So, wie auch die Farben, der intensive Prozess des Auftragens Stimmungsbarometer sind, Licht und Farbe unabdingbar für Margarita Flads Malerei sind.

Ja, ihre malerische Gestik, die Kraft der Farben vermitteln eine wirkungsreiche Vitalität.

 
Und so, wie die Malerin Neues erfährt, fühlt, sich ändert, so haben sich ihre «Begegnungen», ihre Bildinhalte überhaupt im Laufe der Zeit geändert, sind mit ihr gegangen, haben sich mit ihr entwickelt, sind mit ihrer Malerei allmählich, aber konsequent gewandelt.

1995 musste die Künstlerin ihr Atelier auf dem von-Roll-Gelände in der Klus, den Ort des Malens verlassen. Ein Exodus, der sich in Bildern niederschlägt: Schon biblisch anmutend ziehen diese Menschen dahin.
Sie scheinen aus Felsen, Wänden zu wachsen, nehmen kurz menschliche Gestalt an, um sich mit den kantig topografischen Gefügen zu markanten Kontrasten wieder zu vereinen.

Ein Jahr zuvor schuf Margarita Flad in der alten von-Roll-Schmiede in Gerlafingen hohe, spitzige Eisennadeln, archaisch wie wehrhaft.
Und auch «ihre» Menschen trieb sie zwischendurch auf die Spitze, liess sie - nicht ausschliesslich, sondern stets im Wechsel mit den anderen Ausdrucksformen - immer nadelspitzer und unnahbarer werden.
Ein erster, notwendiger Schritt in die Reduktion.

So haben - wie eindrücklich zu sehen - ihre Menschen im Laufe der Zeit und wechselnder Erfahrungen mancherlei figürliche Änderungen durchgemacht. Immer neu variiert in den Stimmungen und Formationen bis zur Ungegenständlichkeit.
Sie haben sich vereinzelt, sind in kleineren Gruppen aufgetreten, wurden flächiger, dann reduziert zu statuarischen Momentaufnahmen, bis zu überspitzten Körpern oder kristallinen Topografien und felsschroffen landschaftlichen Formationen.
Dann wieder wurden sie figürlicher, unmittelbarer. Manche «Begegnungen» inszenierte die Malerin sogar anekdotisch, kleinen Theaterszenen nicht unähnlich. Um dann wieder zur flächig akzentuierten Komposition zu finden, die sich auch in ihren anderen Inhalten findet, als wenn sich die Motive gegenseitig inspirieren.

Vor vielen Jahren sind ihre Menschen sogar aus dem Bild herausgekommen und haben sich als Kunst im öffentlichen Raum verselbständigt.
Als schlanke hohe Stelen sind sie nun Raumkörper zwischen Malerei und Skulptur, lassen ihre Figuren lichter erscheinen, entrückter und transparenter.

Die Menschen in der «Begegnung» lassen die Balsthaler Künstlerin einfach nicht los. Sie sind die kreative Herausforderung «der Vielfalt des Menschen, die Vielfalt der Kompositionen entgegenzustellen».

Eiszeiten

Und dann plötzlich, Anfang 2000, waren diese «Eiszeiten» da, still und leise aus den kristallinen Formationen entwachsen, leuchten sie diamanten aus dem gelben Meer, oder bläulich schroff aus dem nachtblauen Ozean, als kristalliner Berg im rötlich-violetten Licht.

Zum Greifen naturnah oder aus der Natur befreit - wie das sinnbildhafte menschliche Sein in immerwährender Bewegung und wechselnden Situationen - melancholisch, romantisch, mystisch, magisch kalt oder in einsamer Aufbruchstimmung.

Aber eigentlich, so plötzlich und überraschend trat diese inhaltliche Veränderung nicht auf, wenn man Margarita Flads Malerei konsequent in den Reifeprozessen betrachtet:

Die Menschen in den «Begegnungen» waren ja stets malerischen Metamorphosen unterworfen - von der figürlichen Gruppe über die Einzelwesen bis zur kristallinen Form, die in landschaftliche Strukturen und bruchstückhafte Inszenierungen überging.

So sind denn auch die eiszeitigen Formationen zu betrachten, die viel mit dem Menschen gemeinsam haben:

Sie kommen und gehen, lösen sich, lösen sich auf. Mal bricht ein Stück ab, treibt für sich weiter und verschwindet oder formiert sich neu.
Bis zur Auflösung treibt sie die Malerin. Bis ihre Themen eins zu werden scheinen - Farbe, Strukturen, Komposition, Bewegung auf dem Grat von Mensch zur Eiswelt, von der Natur zum Menschen.

Dann auf einmal die Überraschung, die eigentlich keine ist, vielmehr ein künstlerischer Schritt, der ganz einfach geprägt ist vom Leben, von ihrem Leben:

Die Landschaften

Schon früher gab es bei ihr Landschaften, Häuser, Menschen auch, die sich - wenn auch nur ahnbar - in die landschaftlichen Farbteppiche einfügten.

Die neuen Landschaften sind entstanden aus jenen Eindrücken, die in der Erinnerung bleiben - wie zum Beispiel die gelben Rapsfelder auf einer Reise durch Norddeutschland. Impressionen, die man als Charakteristikum einer Landschaft erkennt.
Anfänglich waren es vertraute, heimische Landschaftsszenen, einfache, aber eigenwillige Landschaftsbilder.
Prägnant, aber nie zu präzise, sind sie Ausdruck einer neuen, oder besser neu entdeckten malerischen Energie bei Margarita Flad.
Typisch im Farbauftrag, in der klaren mosaikartigen Komposition haben sich die Landschaftsaugenblicke aus dem Korsett einer festgelegten Wahrnehmung befreit.

Jetzt sind sie ganz einfach nur noch Landschaft.

Dabei bleibt sich Margarita Flad im künstlerischen Wandel treu und führt uns zu jenen Bildmomenten, die eine ihrer Facetten offenbaren: der freiheitliche Umgang mit Farbe, Form und Inhalt. Und hier bei den Landschaften kommen wir zurück zu den «Begegnungen», wandeln doch einige ihrer «neueren» Menschen in einer anskizzierten Landschaft.

Der Mensch, er kommt aus der Landschaft, er wird zur Landschaft. Aneinander gesetzt, über- und ineinander gelagert trägt die Landschaft den Menschen, der Mensch die Landschaft.

Blumen

Margarita Flad bewegt sich stets im konstanten Kreis von Altem und Neuem. So sind wie ihre Menschen, ihre Landschaften auch ihre Blumen Wandlungen und Entwicklungen unterworfen, schöpfen auch sie aus diesem temperamentvollen malerischen Ausdruck.

Einst entstanden ihre Blumen als «Action Painting». Wahre Feuerwerke aus explodierenden Farbtupfen, Blütenblättern und blumigen Bewegungen. Später, mit der Spachteltechnik dann fügen sich kristalline Formen zu einer kraftvollen Blütenpracht.

Und nun, ganz neu: erlebt man «Flower power» pur, farblich gesteigerte, energiegeladene Blütenteppiche, kräftig in den Farben.
Diese kräftig kolorierten und kantig akzentuierten Eisblumenbouquets sind bildgewordener Ausdruck ihrer malerischen Vitalität, beweisen ihre Mallust und ihr Maltemperament, sind Frauenpower mit Farbe und Spachtel.

Doch wenn die Farben ihr zu viel werden, dann kommt Margarita Flad seit ein paar Jahren in den filigranen Tuschezeichnungen zur Ruhe. Mit der Glasfeder zaubert sie beschwingte schwarzweisse Zeichnungen aufs Papier.

Aber stets bleibt sie sich treu.

Da entdeckt man nun Menschen, die wie tanzende Kalligrafien in friesartigen Formationen von links nach rechts oder umgekehrt durch die Bilder marschieren.
Dann wieder hat sie Figürliches auf die reine Bewegung reduziert, einem skizzierten Luftzug gleich, oder befreit ihre Figuren zur zeichnerischen Note, zur zarten schwarzen Geste auf weissem Untergrund.

Ich wünsche Ihnen viele spannende Begegnungen und anregende Gespräche - heute Abend und für das Leben an sich.

Einführung von Eva Buhrfeind anlässlich der Vernissage von Margarita Flad im Kantonsspital Olten, 12. April 2011
Einführung von Eva Buhrfeind anlässlich der Vernissage von Margarita Flad im Kantonsspital Olten, 12. April 2011