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Raffaella Chiara in der Galerie Rössli, Balsthal: Wenn Flächen, Farben und Formen ineinander greifen

Verfasst von Eva Buhrfeind |

Raffaella Chiara zeigt neue und neuere Arbeiten in der Galerie Rössli, Balsthal. In ihrem Werk greifen Linien, Flächen, Farben und Formen ineinander, überlagern sich und formen Kulissen. Ihr Werk lässt sich auch literarisch lesen.

Ja, die Zeichnung ist bei Raffaella Chiara eine feste Konstante, die seit vielen Jahren, Jahrzehnten fast, das künstlerische Wirken der 1966 geborenen und in Solothurn aufgewachsenen Künstlerin charakterisiert und leitet. Dabei ist die Zeichnung mehr als nur eine Zeichnung, es ist die unerschöpfliche, stets unverkennbare Möglichkeit, mit der Linie, dem Strich, mit den verschiedensten Materialien wie Farbstift, Bleistift, Acrylmarker, Fineliner, Acrylspray auf Papier, als Collage verdichtet oder auf Zweifarben-Tiefdruck das zeichnerische Moment einer Wirkung, einer Bildidee neu zu sichten, zu verwandeln und zu  intensivieren. Bildgeschehen und -gedanken, oftmals durch alltägliches Erleben und Wahrnehmen inspiriert, die sich zwischen einer Bestandsaufnahme assoziativer Figurationen und einer sich Interpretationen entziehenden Abstraktion zu räumlichen Variablen verschachteln. Dieser räumliche Kontext ist es denn auch, der diese Kompositionen trägt, wenn das an sich fragile bildnerische System eine eigenwillige Komplexität erfährt. Mit einer dichten Linienführung, mit frei oder mit Hilfsmitteln akkurat gesetzten Strichen, flächigen Gebilden, unfigürlichen oder vertraut wirkenden, teils schablonenartigen Objekten, oder collagenhaft übereinander gelagerten Blättern, dringt Raffaella Chiara in die Bildräume hinein, verschachtelt diese zu verschiedenen Perspektiven und eröffnet zeichnerisch wandelbare Positionen, die vieles möglich machen und ebenso vieles offenlassen. Und denen hin und wieder der Titel einen Hinweis gibt oder eine Imagination bestätigt. Die Vielzahl der Bewegungsabläufe und Liniengeflechte sind mehrdeutig, manchmal labyrinthartig, dann wieder erscheinen die Ansichten wie Fenster, Türen, Spiegel, verdichtet zu kryptisch vagen Tiefen eines subjektiven Raumempfindens, die offen bleiben in der Interpretation. Aber immer gilt: Linien, Flächen, Farben und Formen greifen ineinander, überlagern sich, formen Kulissen, die etwas, vielleicht nur eine zeichnerische Absicht, assoziative Geschichten dahinter imaginieren oder einfach nur frei komponierte Reflexionen sind.
Insbesondere im 2. Raum dann reduziert Raffaella Chiara die multiple Komponente, der Zweifarbendruck bietet mit den sanft fliessenden Farbverläufen eine malerische Atmosphäre, die Vielschichtigkeit von Raum, Linie und Form reduziert sich, die perspektivische Ansicht wird ungewiss, Konkretes, Sichtbares wird nur noch vermutet. Und doch bleibt eine gewisse Spannung zwischen der zeichnerischen Absicht und einer durchaus erzählerischen Intention. Die Arbeiten im 3. Raum vereinen einmal vier verschiedene Arbeiten und eröffnen mit dem aus Papierbahnen geflochtenen und zeichnerisch erweiterten Teppich das künstlerische Erleben. Das im Fenster präsentierte «Taschenbuch» und «Zeichnungsbuch» offenbaren, dass sich das Zeichnerische bei Raffaella Chiara, sie lebt und arbeitet in Bern und Thun, eben auch literarisch lesen lässt. Sozusagen als «Postskriptum» ihrer Arbeiten auf Papier, dem Titel dieser Ausstellung, als Nachsatz zum bildnerischen Schaffen.

Bis 13. Dezember 2020. Geöffnet: Fr 18-21 Uhr, Sa 15-18 Uhr, So 11-14 Uhr. Es gelten die aktuellen Schutzmassnahmen.