Home | News | Suchen | News-Archiv | Kategorien | Kontakt

«Schatten der Zeit, des Lebens und der Erinnerung»: Anne Rüede in der Löiegruebe

Verfasst von Eva Buhrfeind |

Vernissagerede vom 8. Mai 2021 anlässlich der Ausstellung von Anne Rüede in der Löiegruebe in Solothurn.

Mit «Schatten der Zeit, des Lebens und der Erinnerung» umschrieb Anne Rüede einmal die ästhetische Intensität dieser vielschichtigen Farbräume, die doch mehr sind: malerische Sinnesreisen, mit denen sie den Raum, die Räume zum Klingen bringt. Und über die sich zeichenhaft anmutende «Spuren der Erinnerung» legen als Zeugnis einer ungebrochenen, jugendlichen Energie ihres Kunstschaffens – bis ins 87. Lebensjahr.
«Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit», sagte einst Friedrich von Schiller, und Anne Rüede beweist, Kunst ist Kunst, ist Freiheit von Farbe und Gestaltung, ist Motor, Leben, Neugier, Faszination und auch Jungbrunnen. Kunst setzt Zeichen.
Und auch Anne Rüede setzt Zeichen mit ihrem unverkennbaren künstlerischen Leitmotiv der schöpferischen Formvollendung: In sich ruhende, tiefgründige, klangvolle Farbräume, die aus einer feinsinnigen, ja nachhaltigen Philosophie leben.
Schöpferisch frei entwickelt Anne Rüede mit grosser Sorgfalt und Leidenschaft immer wieder neu ein Ritual der Kontemplation und des Gleichklangs, der mit Bedacht gesetzten Kontrapunkte, differenzierten Bewegungen, zarten Schleier des Momentes. Bis eben eine formvollendete Ästhetik resultiert, die auch die Betrachtenden miteinbezieht und Räume neu bespielt.
Stets wird die Konstanz ihres künstlerischen Ausdrucks, ihr malerisches Engagement von einem ebenso konzentrierten wie bewussten Wissen um die Kraft der  dezenten Wandlungen und Erweiterungen, der sorgsam ausgeloteten Zwischentöne und einander korrespondierenden Farbklänge geleitet.
Deren strenge unverkennbare Reduktion belebt wird durch malerische Momente, tänzerisch anmutende gestische Formationen und feine entspannte Spuren.
Diese reizvoll schlichte Eleganz ist bei Anne Rüede letztendlich und ausschliesslich das Resultat einer intensiv umgesetzten künstlerischen Ganzheitlichkeit von der Bildwerdung bis zum nuanciert austarierten Ausstellungskonzept:
Sorgsam und mit Bedacht entwickelt sich bei ihr aus der Leidenschaft zur traditionellen Maltechnik in Eitempera ein vielschichtiger Malakt  als eine allumfassende Auseinandersetzung mit der Farbmaterie des Eitempera, die sie immer noch sorgfältig selbst herstellt wie sie auch die Pigmente selber mischt, wie das Immaterielle der Farben überhaupt als kraftvoll spirituelles Moment.  
Ebenso wesentlich für die Bildgestaltung, die Bildentstehung ist der gleichermassen ganzheitliche aufwändige Prozess von Bildgrund und -träger. Sei es auf Holzkassette, sei es auf Büttenpapier, die sie in Schichten mit Gaze und Gesso  intensiv vorbereitet.
Ja, es ist eine immer wieder neu zu erlebende leise Welt der Farbtöne, die der Stille Raum geben und gleichzeitig eine leise Musikalität in sich tragen und in sich ruhend eine Art Gegenposition zu unserer schnelllebigen, lauten Zeit bilden.
Und deren Konzentration die Künstlerin mit zeichenhaft gesetzten Akzenten oder Kontrasten raffiniert aufbricht.
Jede farbkompositorische Wandlung, die raffiniert modulierten Oberflächen, die dezenten Resonanzen darunterliegender Farbschichten sind bewusst erlebte Entstehungs- und Entwicklungsprozesse, die ohne grosse lautmalerische Gesten auskommen. Anne Rüedes Œuvre unterliegt einer subtilen Poesie, mit deren vollkommener Harmonie die Künstlerin «das, was hinter den Dingen liegt, erfahrbar machen möchte».
Die Kunst, das Bild, das Malen, die Kontinuität ist für Anne Rüede charakteristisch als Ausdruck einer Wandelbarkeit in der Konstanz der persönlichen Bildgebung. So erscheinen auch ihre neuen Arbeiten unter diesem Aspekt reif und frisch zugleich, erfahren und präsent.
Die «Parade der kleinen  Quadrate» ist eine Komposition gegenseitiger Wirkungen dezenter Modulationen: Weiss, Schwarz, Anthrazit, frühlingshaftes Mintgrün, strenge Monochromie, magisch oder floral Bewegtes, strukturierte oder rhythmische Oberflächen, auch wenig helles Gelb lässt sich entdecken.
Ein reizvolles Leitmotiv der unterschiedlichen Formierungen, Räumlichkeiten, Höhen, Tiefen und Flächen – eigenwillig und ausgewogen, für sich wie im Miteinander.
«Die magische Farbe des Lichts und der Dunkelheit», das ist Schwarz, das in den Nuancen alle Farben aufnimmt und in sich kaschiert. Hier nun zeigt sich in den auf den ersten Blick streng wirkenden, dabei sinnlich wie sinnbildhaften Kleinformaten auf Büttenpapier: Es ist nicht einfach Schwarz.
Diese kleinen lyrisch stimmenden Inhalte leben von subtil gesetzten goldenen Spuren und feinstimmigen Gegensätzen, von Monochromie und rhythmischer Resonanz. Geheimnisvoll und tiefgründig wirkt es in den Schattierungen der oberflächigen Momente als Magie des Lichts und der Dunkelheit mit dem akzentuierten Gold als Sinnbild. Hier nun choreografiert mit kalligrafisch differenziertem Weiss zum Dialog, setzt sattes Rot bewusste Kontrapunkte.  
Denn Anne Rüede wäre nicht Anne Rüede, gebe es nicht diese Kontrapunkte, die die klare Linie auch dieser Ausstellung als einen konzertanten Akkord erleben lassen, als immaterieller Schlusspunkt, Zeichen des Innehaltens, die aus vergangenen Zeiten vom Jetzt erzählen.
Die elegante Reduktion untermalt Anne Rüede mit einer beinahe spielerischen Leichtigkeit und einem narrativen Moment – «Spielball der Phantasie» ist eine Geschichte über die Beweglichkeit der Sinne in einem Plexiglasobjektkasten auf sich, auf eine grazile Wirkung von leichter Ironie und bewusster Klarheit zurückgeworfen.
Wie überhaupt die kleinen aparten Kugeln, diese «Spielbälle der Farben» in dem ihr so typischen Kolorit als reizvolle haptische Objekte, vielen kleinen Universen gleich einen freiheitlichen Augenblick gestalten.
Während «Die Poesie der Farbe Schwarz», diese drei Originale in einer Art Blackbox, mehr umgibt als nur etwas Geheimnisvolles in Schwarz und stilisierter Attitüde. Es ist eine poetische Geschichte der feinen Zwischentöne, sei es Gold, sei es Anthrazit oder Weiss, die von der Harmonie stiller Bewegung und bewegter Stille erzählt.

Vernissagerede Eva Buhrfeind, anlässlich der Ausstellung in der      Löiegruebe, Solothurn, 8.-29. Mai 2021

Kurzversionen in der Solothurner Zeitung, Grenchner Tagblatt, Oltner Tagblatt

Ausstellungsdauer bis 29.5.2021. Eröffnung, Samstag 8.5.2021, 14 Uhr, Einführung Eva Buhrfeind. Öffnungszeiten: Freitag, 17 – 20 Uhr, Samstag, 14 – 18 Uhr / und auf Anfrage. www.loiegruebe.ch