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Raum, Schrift und Imagination: Romain Crelier im Haus der Kunst St. Josef, Solothurn

Verfasst von Eva Buhrfeind |

Eine Installation der speziellen Art von Romain Crelier gibt es im Haus der Kunst St. Josef, Solothurn, zu bewundern. Der 1962 in Pruntrut geborene Künstler Romain Crelier greift mit seinem Zementplattenensemble «1029» die sakrale Ausstrahlung des Hauptraums auf.

Reto Emch ist bekanntermassen einfallsreich betreffend origineller Bespielungen seiner Ausstellungsräume im Haus der Kunst. Nun ist es der 1962 in Porrentruy geborene Bildhauer, Grafiker und Zeichner Romain Crelier, der mit seinem Zementplattenensemble «1029» die sakrale Ausstrahlung des Hauptraums aufgreift, diesen Ort der Kontemplation neu erzählt – und darüber hinaus die Erwartungen subtilst aufbricht. Die Bodeninstallation mit dem Titel «1029» basiert auf einem Originaltext der 1971 in Genf geboren Isabelle Sbrissa, Theaterautorin und Poetin der neuen Generation Schweizer Lyrik. Sie hat den Text speziell für diesen Ort geschrieben als eine Art Stimmungsbarometer aus dem Zusammenspiel von Licht und Ausstrahlung, Poesie und Klang, Architektur und Stukatur, Wort und Sprache, Wirkungsstätte und menschlichem Moment. Ein klangvoller Text als ein Spiel der Gefühle und der Worte bis zu den Buchstaben als Herausforderung an die Betrachtenden wie Lesenden, teilzunehmen, einzugreifen und zu verstehen. Und Romain Crelier hat hier mit seiner Bodenarbeit, basierend auf dieser lyrischen Expression, die räumliche Definition um eine poetische Dimension erweitert – eindeutig eindrücklich und doch brüchig in der Wirkung.
1029 kleine quadratische graue Zementplatten, jede mit einem Buchstaben oder Sonderzeichen aus dem Sbrissa-Text, sind zu einem 150 cm x 100cm grossen Ensemble inszeniert. Platte an Platte gelegt den Text erzählend, finden sich in losen Abständen und einem inneren Sprachklang folgend, Zweier- oder Dreierstapel. Einem rhythmischen Gefüge gleich, erhebt sich diese wellenartige Bewegung wie eine skulpturale Intonation einer eigenwilligen Poesie, als wenn sie lautlos vorgetragen wird. Doch so, wie Romain Crelier dem Text nachgeht, wagt er dennoch den Fluss des durchaus kapriziösen poetischen Dialoges zu «stören». Denn er tauscht sporadisch einzelne Lettern aus, ersetzt Buchstaben durch Sonderzeichen, ordnet die Schreibweise der Sätze und Worte den vorgebenen Grundformen unter, so dass die Betrachtenden diesen installativen Dialog von Raum und Lyrik nur von den Rändern her aufnehmen können. Durch das diffuse seitliche Oberlicht – auch Inspiration in den Worten Sbrissas – bleibt das Zentrum des literarischen Geschehens unerreicht, die Idee zur textlichen Manipulation nicht fassbar. Wie auch die zufällig wirkende Aufzählung einer losen Folge von Buchstaben aus dem Text am Schluss die Betrachtenden irritiert zurücklässt. Soll er intervenieren und seine eigene inhaltliche Ordnung schaffen oder auf Spurensuche gehen? Oder soll man sich einfach der Stille und der Poesie hingeben?
Im Chor dann zeigt Romain Crelier eine kleine Auswahl seines weiteren Schaffens: Kleine Rasterbilder, die als Radierung mit der zeichnerischen Note spielen und deren dichte farbige Geflechte eine irritierende stoffliche Wirkung zeigen. In den grösseren Rasterbildern sind die Farben auf wenige Nuancen zurückgenommen, aber das suggestive Moment einer textilen Verwebung ist in diesen Radierungen erstaunlich. In den scheinbar einfachen Heliogravüren anskizzierter Hausmodelle stört der Künstler die vordergründige Wahrnehmung – es ist nicht alles so, wie es scheint, die Perspektiven sind schräg, gesprengt, verschoben oder einfach nur imaginativ.
In seinen Graphitarbeiten auf Papier verdichtet Romain Crelier die Linien derartig, dass sich das zeichnerische Moment zur metallenen Fläche steigert, allein die ausgefransten seitlichen Linien lassen den Stift und die formale Linienführung erkennen.

Bis 31.7.2021 Geöffnet: Do/Fr 16 – 19 Uhr, Sa/So 13-17 Uhr. www.hausderkunst.ch, 032 621 09 80