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Drei Kunstschaffende, ein Nenner: Jaana Rau, Jan Pulfer und Mattania Bösiger im Schlösschen Vorder-Bleichenberg in Biberist

Verfasst von Eva Buhrfeind |

Drei Kunstschaffende, drei Bildwelten, ein gemeinsamer Nenner: Jaana Rau, Jan Pulfer und Mattania Bösiger zeigen ihre Werke im Schlösschen Vorder-Bleichenberg in Biberist.

Die fein- bis fleischfarbigen Bilder von Jaana Rau – sie ist für den erkrankten Cosimo Wunderlin eingesprungen – ziehen die Blicke der Betrachtenden schnell auf sich. Ist es reine Abstraktion oder lässt sich Organisches oder Körperhaftes ausmachen? Denn das, was auf den ersten Blick eigenwillig anmutet, erweist sich bald einmal als glänzende Zähne, Zungen, Finger mit ausgeprägten Nägeln, Schlünde, weich-fleischliche Einblicke in das Innere des Körpers. Als vertrauter, aber doch fremder Teil der Selbsterkennung zwischen assoziativer Wahrnehmung und unsichtbarer Wirkung wird das Unsichtbare sichtbar, das Sichtbare trägt eine neue Bedeutung in sich. Jaana Rau, 1991 in Stuttgart geboren, schloss nach dem Besuch der Pädagogischen Hochschule Heidelberg ihren Bachelor of Fine Arts, FHNW HGK in Basel ab, wo sie auch lebt und arbeitet. Sie verwandelt eigenwillig in der Ästhetik und aufbauend auf der traditionellen Malerei der Eitempera die innerliche Fremdheit zu neuen, narrativ auftretenden Welten. Mehrheitlich bildet dabei Eitempera mit weisser Farbe die strukturierende Grundlage auf dem Bildträger, mit den Ölfarben erweitert Jaana Rau ihr schöpferisches Interesse am Körper. Die malerische Dramaturgie der Zähne, Fingernägel, Weichteile wirkt fremd im Vertrauten wie das Innere wandelbar anmutet im äusseren Abbild. Alles scheint ebenso miteinander wie ineinander zu verwachsen zwischen Figurationen in Bewegung, als Pose oder als assoziative Komposition zwischen Fiktion und Realität, zwischen Surrealität und Physis. Diesen physischen Ausdruck hat Jaana Rau in den Arbeiten aus Ton vertieft. Weissglänzend lackierte Zähne, die Zungen, Rachen, Schlünde in Ton geformt, geben sich diskret körperlich präsent.
In ganz andere Bildwelten entführen im Erdgeschoss die neuen Arbeiten von Jan Pulfer, der seine Ausbildung zum Illustrator und Grafikdesigner durchaus einzusetzen weiss, wenn er das Illustrative und das Erzählerische als Bild und Wort zu eigenständigen Geschichten vereint. Seine Bildinhalte funktionieren als Comic ebenso wie als Malerei, das Bild erzählt etwas, der Text erzählt etwas, beide bestärken sich gegenseitig in der Wirkung und sind doch ebenso singulär zu lesen. Durchaus leicht ironisch wie als gesellschaftskritischer Anspruch wird das plakativ-klare Moment zur raffiniert funktionierenden Anekdote. Akkurat gemalt, geschickt in der Logik und Stringenz wird hier das Bild zur Kurzgeschichte.
Im ersten Stock beweist der ursprünglich aus Solothurn stammende Jan Pulfer, er studierte «Illustration Fiction» an der Hochschule Luzern, mit den einige Jahre älteren Arbeiten seine ausgeprägt künstlerische Kreativität. Losgelöst vom illustrativen Anspruch und dem bewusst gesteuerten Bildkonzept befreien sich Farbe, Form und Geste im informellen Spiel malerischer Expression und Komposition. Wobei sich  ohne erzählerische Absicht in einigen Werken durchaus gewisse figurative Spannungen aufbauen.
Mattania Bösiger, 1991 in Solothurn geboren, lebt und arbeitet ebenfalls in Basel. Er ist mit Jan Pulfer und Cosimo Wunderlin Gründer der «Macherei» in Basel, einer Ateliergemeinschaft für Grafik, Illustration und Malerei, und setzt sich in seinen Öl- und Acrylgemälden mit dem Raum als Wechselwirkung von analoger und digitaler Konfrontation auseinander. Seine Inhalte sind vertiefte Prozessbilder, wenn er Alltagsgegenstände, räumliche Situationen, dramatische Szenen und dreidimensionale Konstruktionselemente collagenartig dermassen in Beziehung setzt, dass die Grenzen der Wahrnehmbarkeit irritiert werden, sich aber gleichzeitig eine immer neu arrangierte dramaturgische Spannung aufbaut. Die einzelnen Bildelemente sind derart realistisch interpretiert, dass man auf den ersten Blick an fotografische Ausschnitte denkt, gleichzeitig sind die kulissenartig ineinandergeschachtelten Konstruktionen so geschickt komponiert, dass sich die verschiedenen räumlichen Ebenen als Absurdität entpuppen, im Aufeinandertreffen doch auch einen gewissen Wahrheitsanspruch in sich tragen. Mattania Bösiger, er schloss nach einer Berufslehre als Hochbauzeichner den Vorkurs an der Schule für Gestaltung in Biel ab, verschiebt in seinen perfekten Kompositionen die Grenzen der Wahrnehmung, lässt das Digitale durch das Analoge hinterfragen und spielt mit dem Abbild des Abbildes. Der Cursor als digitaler Hinweis findet sich wie ein versteckter Hinweis, die wiederkehrenden kleinen Interpretationen von Benutzeroberfläche tun ihr Übriges. Jedes Bild birgt Überraschendes in sich und bleibt doch analog. Die Serie mit dem realistisch gemalten zerknüllten Papier steigert das Rationale des Irrationalen in die Raffinesse eines Trompe-l'œil.

Bis 15. Mai. Geöffnet: Mi / Do 16-19 Uhr, Sa / So 14-17 Uhr. Vernissage Sonntag, 24.4.22, 11 Uhr. Künstler*innengespräch, Sonntag, 8.5.22, 15 Uhr. Konzert - Interhuman: Samstag, 14. Mai, 17 Uhr mit Jano Jacusso, Gitarre; Lena Stüdeli, Gesang; Stefan Schneider, Bass; Jacques Spälti, Drums.