Es ist diese kontemplative Entschleunigung, dieses aus einer meditativen Stimmung heraus mit der Lochkamera etwas «sichtbar machen, was nicht sichtbar, aber eben da ist», die Freiheit des Fotografierens, losgelöst von schnellen, präzisen Aufträgen und Reportagen, die den Pressefotografen dieser Zeitung Hanspeter Bärtschi faszinieren, inspirieren und herausfordern. Dieses sich Verlassen und Einlassen auf Intuition und Zufall, Lichteinfall und Wirkung, Musse und Geduld der Bildentstehung sowie das Forschen mit Sichtungen, Winkeln und Überlagerungen der Lochkamerabilder lassen wundersame Bildmomente entstehen. Dazu kombiniert der Fotograf verschiedene Kamerasysteme, Blickwinkel, und Farbfilter samt ausgeklügeltem Maskensystem, schafft derart dem Bild eine neue Bedeutung des Wahrnehmens und für wahr nehmen, zeigt wundersame Wirklichkeiten ausserhalb konventioneller Wirklichkeiten. Seine Motive findet Hanspeter Bärtschi in nächster Umgebung auf Streifzügen; er nennt es «eine Art Feldarbeit» und sein Antrieb ist, «etwas völlig Neues» zu sehen und sehen zu lassen. Die grossformatigen Arbeiten imaginieren sphärisch bewegte Farbebenen und -stimmungen aus vielschichtigen Prozesse kreiert. Magische Wirklichkeiten, die er mit dem Loch in der Kamera, mit Farbfilm und raffiniert in den Variablen und Prozessen zu geheimnisvollen Phänomen neu definiert. Leuchtende Verflechtungen zwischen textiler und naturhafter Ausstrahlung spiegeln je nach Sicht eine feine 3-D-Reflexion. Vieles erscheint als Geheimnisvolles aus dem Einfachen heraus, anderes gibt neue Sichtweisen, wenn er zum Beispiel unkonventionell und experimentell Polaroidkamera-Momentaufnahmen durch die Lochkamera zu eigenwilligen Naturen verschiebt, dabei das Format des Polaroids als feinen Hinweis beibehält. Um andererseits mit der Polaroidkamera an sich auf das schnell dokumentierende Bildprinzip zu verweisen. Doch stets gilt, diese Arbeiten sind ohne Computer entstanden und zeugen von der Neugier und Begeisterung des Fotografen, mit einer ursprünglichen, sehr alten Technik neue Geschichten zu erzählen.
Albert Suana nach Art der Arte Povera
Auch Albert Suana hat mit seinen Arbeiten einiges zu erzählen. Der aus Heidelberg gebürtige und in Aarau lebende Sohn emigrierter Katalanen ist in der Schweiz aufgewachsen. Er hat in der Collage sein wichtigstes Medium gefunden, um mit den variabelsten Installationen dem wertlosen Material im Sinne der Arte Povera einen neuen Kontext, einen neuen Wert zu geben: Karton, Verpackungsmaterial vor allem, zahlreiche Glassplitter, die er als grosse Collagen neu zusammensetzt und zeichnerisch kartografiert, um die Risse und Sprünge, das Unvermeidbare und nicht Vollständige des Lebens zu skizzieren – und den Kaminraum gleichzeitig als eine Art Atelier zu dokumentieren. Natürlich auch die Fensterkuverts, deren ausgeschnittene Fenster er zu Collagen und Architekturen gestaltet. Sie assoziieren eine Anschrift und suggerieren als leere, endlos verwobene Fensterkuvert-Ausschnitte in der raumfüllend konstruierten, zeltartigen Behausung über die Adresslosigkeit eine fehlende Verortung – Heimatlosigkeit in einer an sich reichen Gesellschaft. Wie überhaupt sein Schaffen sich zwischen surrealer und sozialkritischer Bewegung positioniert, eine konventionelle Ästhetik wäre hier unangebracht.
Daniel Mistelis Hölzer – naturbelassen
Der Dritte im Bund ist Daniel Misteli, 1961 in Solothurn geboren und in Bellach aufgewachsen. Sein Material ist das Holz, aus der Natur, meist naturbelassen, auf die Natur verweisend: «das wird kein – Spaziergang», auf grossen Wanderwegweisern geschrieben und im hinteren Garten des Schlösschens aufgerichtet, sagt, diese Kunstbetrachtung ist so einfach nicht und doch aus einfachem Material erstellt. Der oberhalb Locarnos lebende Künstler, der auch als Lehrer und Grafiker tätig ist, zeigt, dass in jedem Ding eine Aussage steckt, eine Idee oder Assoziation. Die Wegweiser lassen sich herrlich absurd steigern, Holzäste und ein Stab originell zu einem Rechen mit Fingern verwandeln; «back to the roots» kann man selbst mit rosa gestrichenem Geäst im künstlerischen Sinn wörtlich nehmen, sogar konstruierte Massstäbe lassen sich doppeldeutig ebenso zur Kalaschnikow gestalten wie zu einer menschlichen Kontur, kleine Bildtafeln spielen mit Aktualitäten. Und die Holzstämme, zu einem Rondell geschichtet, mit Gesichtern und farbigen Markierungen zu Jahresringen akzentuiert, zeigen, was wichtig ist: «Die Augen offen halten; sehen, was ist, und erkennen, was es macht.»
Bis 24.9.2023, Vernissage, Sa, 2.9., 17 Uhr, Matinée 10.9., 11 Uhr, Finissage 24.9., 14 Uhr
