Mit dem Ausstellungstitel «Enivrez-vous» zitiert der Künstler den französischen Dichter Charles Baudelaire und die Idee des «Berauschet euch», zum Beispiel an einem von festgefahrenen rationalen Konventionen befreiten Lebensgefühl, ob spirituell, poetisch, ob in der Liebe, am Wein oder in der Kunst. Die Freiheit des Seins als Freiheit der Seele. Da denkt man auch an das deutsche Volkslied «Die Gedanken sind frei, wer kann sie errathen? Sie rauschen vorbei, wie nächtliche Schatten...», dieses Lied der Gedankenfreiheit, das eben auch die Freiheit der Bilder mit einbeziehen könnte ‒ und das eben auch das Glas Wein besingt. Und irgendwo zwischen der Prosalyrik und dem romantischen Text finden sich die neuen Arbeiten von Daniel Gaemperle wieder, der 1954 in Algier als Sohn von Auslandsschweizern geboren, seit 1987 in Kleinlützel lebt. Und wieder macht es der Schweizer Maler und Grafiker mit seiner eigenwilligen Bildgrammatik den Betrachtenden nicht leicht, wenn er sich mit dem, «was im Kopf stattfindet», auseinandersetzt: mit der Welt der Gedanken und deren Vernetzungen, dem Denken als unbekanntes Wesen, der Frage «was ist Bewusstsein» und den verschlungenen Bewusstseinsebenen als abstrakter Begriff. Somit ist die Abstraktion in Form und Gestaltung jener Code, mit dem der Künstler seine informellen Botschaften mit informellen Zeichen durchspielt, verschiedene Aspekte eines Gedankens als immaterielle Momentaufnahmen eines Denkzustandes verschlüsselt. Formale Bildwelten, die variantenreich als wiederkehrende Formensprache den impulsiven Bildgedanken konzeptuell folgen. Die Freiheit der unerklärlichen Gedanken, die rätselhafte Welt des Bewussten wie Unbewussten ist eben auch die Freiheit der künstlerischen Bilder aus der Phantasie und der Unschärfe subjektiver innerer Kopfuniversen heraus. Und damit zeigt sich das Informelle der Bildsprache als ideale, wenngleich eigenwillige Bildgrammatik, um seine Kopf- und Gedankenwelten zu formulieren, ohne zu konkretisieren oder zu definieren. So sind die Gesten oftmals kalligrafisch anzusiedeln, das Malerische intuitiv, fliessend formend. Manches wirkt organisch oder zeichenhaft, kryptisch vernetzt oder ineinander geschichtet, wachsen einfache amorphe bis zelluläre, freie Flächen und lineare Notationen auseinander. Es sind vielschichtige, in den Farbtönen eher reduzierte multiple künstlerische Gedankenspiele in Mischtechnik mit Öl, Graphitstift, Druck, Acryl, mit Pinsel, Schwamm, Spraydose, den Fingern, auf Leinwand, auf speziellen, kaschierten Seidelbastpapieren, die Daniel Gaemperle, unverbindlich durchspielt, inszeniert und auch collagiert.
Und so sind denn diese Arbeiten von Daniel Gaemperle ‒ er war in der Galerie Rössli vor 20 Jahren, 2003, zuletzt zu Gast, und 2016 im Schlösschen Vorder-Bleichenberg zu erleben ‒ immer auch Bilderreisen, Phantasiegeschichten und andere bildhaft gewandelte, subjektive Anekdoten. Und für die Betrachtenden gilt als spannender Dialog mit den Werken: «Es bleibet dabei: die Gedanken sind frei».
Bis 17. Dezember 2023. Öffnungszeiten: Fr+ 18-21 Uhr, Sa 15-18 Uhr, So 11-14. Vernissage Sonntag, 26.11., 11:30. Der Künstler ist auch am 2.12. anwesend. Anlässlich der Eröffnung erscheint eine Publikation zur Ausstellung.