Allerfeinste Linien und filigrane Liniengeflechte in fast schon transparenter Farbgebung fügen sich zu figurativen und sinnbildhaften Geschehen, wirken auf diesen grossformatigen Arbeiten auf Leinen wie feingliedrige Zeichnungen und entrückte Skizzen. Und sind doch auf faszinierende Weise minutiös und sehr dezent handgestickt.
Eintauchen in die rätselhafte Welt der Kathrin Borer
Das Sticken, diese alte Handarbeit als meditativer Bildfindungsprozess der Entschleunigung, als künstlerisch in sich ruhender, ritualisierter Akt lässt die Betrachtenden im ersten Raum eintauchen in eine rätselhafte Welt der Zeichen, Formeln, Beziehungen und figurativ sich verknüpfenden Reflexionen.
Motiv für Motiv, eine zeichnerische Begebenheit, ein persönliches Gedankenspiel, aber auch kreatives Innehalten haben allmählich zur nächsten Bildidee geführt. Innere, situativ gewachsene Inspirationen und erzählerische Momente, die Kathrin Borer in subtiler Handarbeit offenlegt und gleichzeitig Rätsel aufgibt: formelhafte Botenstoffe als wechselwirkige Gefühlsregulatoren vernetzen sich, Zeichenhaftes schwebt im freien Raum. Indigen anmutende Tiersymbole und deren allegorische Bedeutung verweisen in «Le feu des ancêtres» auf unsere urzeitlichen Kräfte, finden in «rite de passage» eine gleichnishafte Inspiration.
Kathrin Borer, 1972 in Basel geboren und dort lebend, mit Erschwil SO als Bürgerort, gelernte Hochbauzeichnerin und ausgebildet an der Hochschule Luzern mit dem Diplom «Bildende Kunst», erweist sich mit diesen Arbeiten als feinsinnig inspirierte wie spirituell sich verwebende Künstlerin. Und so stehen diese verschiedenen Bildinhalte denn auch gesamthaft unter dem Titel «Rite de passage». Weniger als Verweis auf ethnologisch definierte Übergangsriten zwischen Lebensstadien oder sozialen Zuständen, als vielmehr als Übergang von Lebensthemen und schöpferischen Phasen, die als künstlerische Prozesse – aber auch gestalterische Rituale – mit inneren Bildern, Erlebnissen und meditativen Eindrücken sich entwickeln und aufeinander beziehen.
Bei Kathrin Borer, sie nimmt seit etlichen Jahren an den Kantonalen Jahresausstellungen in Solothurn und Olten teil, ist nichts konzeptuell kreiert, nichts vorgeplant. Sie ist auf keinen Moment fixiert, sondern ihre Bildinhalte, ihr künstlerisches Potential schöpfen aus dem Inneren, aus erlebten Bildern, aus Träumen und spirituellen Erfahrungen.
Kathrin Borers Mysterien des Ungewissen
Diese bildgestaltende Kreativität eröffnet sich den Betrachtenden vor allem im zweiten Raum und mit den verschiedenen Bildmitteln wie Bleistift, Guache, Aquarell, Tusche, Collagen. Einfache, korallenrot aquarellierte Interpretationen von Korallen sind an sich frei gedacht und widerspiegeln doch die Natur. Die akkurat verdichteten, fellhaarigen «Wildlinge» spielen mit dem Mysterium des Ungewissen, halb Untier, halb Urmensch ziehen diese Gesichtszüge mit ihren magischen Augen in den Bann. Und die Inhalte der Serie «Totemtanz» erweisen sich als surreal-skurrile Traumsequenzen einer eigenwillig fiktiven Stimmung.
Im dritten Raum dann bespielen zahlreiche, in Vasen getrocknete Blumen das Thema Werden und Vergehen. Surreal anmutende Collagen aus Magazinfotos – man findet sie auch im vorherigen Raum, – thematisieren «Immer wenn ich an etwas Schönes denken» und verführen mit der Wirkung traumhaft-filmischer Illusion. Die auf Podesten in sich ruhenden Hände aus selbst hergestellter Rosenseife, realistisch und wohlduftend, sind Metaphern der «Gabe» ‒ des Heilens, der Energien und reiner Schönheit. Kathrin Borer arbeitet zudem als Klangtherapeutin. Und so untermalen die sanften Schwingungen der Klanginstallation «Nocturne» (aus therapeutischen Stimmgabeln) die in sich ruhende, zurückhaltende Werkschau.
Bis 15.9. 2024 Vernissage, Sonntag, 25.8., 11:30. Öffnungszeiten Fr 18-21 Uhr, Sa15-18 Uhr, So 11-14 Uhr. Rundgang durch die Ausstellung, Sonntag, 15.9., 11:30.